Stellen Sie sich vor, sie wären am vergangenen Sonntag ( 6.11.2022) so kurz vor 15 Uhr in einem Wettbüro gesessen, und hätten eine Wette abgeschlossen, die GWD Minden würde ihr Bundesligaspiel gegen die Berliner Füchse gewinnen. Zu diesem Zeitpunkt war gerade Halbzeit in der KAMPA-Halle, und das punktlose Schlusslicht lag mit 11:15 gegen den ohne Niederlage dastehenden Tabellenführer hinten. Wir haben nachgehakt in einigen Wettbüros. Im Falle des Eintretens, Dankerssen dreht dass Spiel in der verbleibenden halben Stunde zu seinen Gunsten um, wären Sie, je nach Anbieter, mit dem 20- bis 25-fachen Gewinn Ihres Einsatzes nach Hause gegangen.
In der immer näher heranrückenden Weihnachtszeit haben Märchenerzähler wieder Hochsaison, aber dass, was sich am Sonntag nachmittag in der Hahler Straße ereignete, wäre Stoff für einen Geschichtenschreiber oder einen Filmregisseur. Sprich, risikofreudige Wettspieler haben in den knapp 15 Minuten Pause ihre Chance vertan, deutlich reicher zu sein als zuvor. Um es auf einen Nenner zu bringen: die GWD Minden, bislang punkt- und teilweise chancenlos in den Partien der laufenden Handball-Saison, bezwingt nach einem 4‑Tore Rückstand den Spitzenreiter aus der Bundeshauptstadt mit 32:27. Für die Berliner war es somit die erste Niederlage in 2022/23.
Was hinter diesen nüchternen Zahlen steckt, erklärt natürlich nicht, was sich vor 1854 Zuschauern abgespielt hat. Als sich der Triumph gegen Ende des Spiels immer mehr abzeichnete, vewandelte sich die Geräuschkulisse und die Minen sämtlicher grün-weißer Herzen in eine Euphorie, als hätte man eine Trophäe gewonnen. Vielfach war auch nach einem ständigen Spielstandwechsel die Erleichterung spürbar, die eine seit Monaten nicht mehr gekannte Begeisterung auslöste. Das eigentlich sensationelle — der Sieg gegen den Tabellenführer war durchaus verdient.
Ja, Sie haben richtig gelesen – verdient. Also, dieselbe GWD Minden, die seit September von einem Debakel zum nächsten eilte, und in den Partien größtenteils nicht den Hauch eines Punktgewinns hatte. Nicht ganz dieselbe: Armine Darmoul kehrte nach schwerer Verletzung endlich wieder auf das Spielfeld zurück. Und mit Philipp Ahouansou zeigte Neu-Mindener präsente Wirkung, der nach erfolgreicher Ausleihe vom Liga-Konkurenten Rhein Neckar Löwen bis zum Saisonende die Abstiegssorgen der Ostwestfalen kleiner bis zunichte machen soll. Doch auch der bisherige Kader trat wei verwandelt auf. Die Deckungsarbeit des Teams war wirklich eine, und beschränkte sich nicht nur auf Keeper Malte Selisch. Zudem war zu beobachten, dass die Akteure untereinander kommunizierten.
Kurzum – die Mannschaft trat endlich als Mannschaft auf. Bei Fortsetzung dieser Leistung dürften die Spaziergänge der übrigen Teams beendet sein, die gegen Minden die zwei Punkte bislang nur abzupflücken brauchten. ABER – und das ist das Manko am Ergebnis; in der Tabelle zeigt dieses Resultat bislang nur eine rechnerische Kosmetik. Die GWD bleibt trotz der zwei Punkte Schlusslicht, allerdings haben die Teams aus Hamm-Westfalen, Leipzig, Wetzlar oder Lemgo einen weiteren Anwärter auf die Saison 2023/24 hinzugewonnen. Ebenso die Füchse. Sie bleiben Tabellenführer, doch Fans aus Flensburg, Kiel, Magdeburg und der Löwen bedankten sich auf den GWD-Seiten, die Berliner am befürchteten Alleingang sich in den Weg zu stellen.
Im Weg stand niemand, als der Berliner Valter Chrintz unglücklich auf den Boden aufkam. Wie wir inzwischen erfahren haben, hat sich der schwedische Nationalspieler sowohl einen Kreuzbandriss als auch einen Meniskusschaden erlitten. Es wird vermutet, dass Chrintz in dieser Spielzeit wahrscheinlich nicht mehr zum Einsatz kommt. Für wenige Minuten hielten alle in der KAMPA-Halle den Atem an, die Partie war für etliche Minuten unterbrochen. Wir wünschen Valter Chrintz auf diesem Wege alles Gute, und eine ganz rasche Genesung.
Apropo Lemgo – dass ist der Auswärtsgegner am kommenden Donnerstag (10.11.2022). Und es ist das Team, dass am vergangenen Sonnabend dem Favoriten aus Kiel eine Heimniederlage zufügte. Also, auch der Derbygegner will seinen Trend bestätigen. Doch sollte GWD das gelingen, und sich mit 2 Punkten belohnen, und selbiges am kommenden Sonntag gegen Wetzlar ebenfalls schafft, dann leuchtet die rote Laterne in Minden allenfalls erst wieder auf dem Weihnachtsmarkt vor dem Dom, und nicht in der KAMPA-Halle.