Kinder, die ihren 10. Geburtstag feiern, kriegen von der angereisten Verwandschaft oft den Satz zu hören, "Man, bist du groß geworden". Das gleiche könnte man zu der Stiftung Bethel im Norden auch sagen. Allerdings mit dem Unterschied, dass die Organisation nicht nur größer, sondern richtig groß geworden ist.
Den Stiftungszweig Bethel im Norden der Von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel gibt es seit 2008, folgerichtig gab es erstmals ein kleines rundes Jubiläum zu feiern. Zu diesem Anlaß hatten die Verantwortlichen zu einem feierlichen Nachmittag in der Christuskirche in Hannover geladen. Das evangelisch-lutherische Gotteshaus in der Landeshauptstadt Niedersachsens bot Platz für an die 400 Gäste, bestehend aus Geschäftsführern, Breichsleitern, Mitarbeitern, ehrenamtlichen Helfern, aber auch Klienten und Bewohnern der unterschiedlichen Einrichtungen.
Bethel im Norden bot ein Programm aus ernsthafter Information und viel Unterhaltung. Dieser Spagat ist mit Sicherheit gewagt. Für etliche Nicht-Hannoveraner, aber auch die Einheimischen, die zu diesem Anlaß eingeladen wurden, war vor Beginn des Programms ein Mittagessen in Form eines Buffets angerichtet worden. Neben dem Gaumenschmaus war es für die Feiernden auch die Gelegenheit zu einem Austausch von Informationen, oder einfach zum Kennenlernen.
Wie schon im Zelt, so traten auch in der Kirche vor dem Programm zwei Instrumentalkünstler auf, die mit leichter Muse Geschmack auf mehr machten. Gegen 14 Uhr 15 war es soweit,Moderator Alexander Munke betrat die Bühne in der Christuskirche. Dort begrüßte er zunächst Luise Turowski, Stefanie Schwinge-Fahlberg und Pastor Christian Sundermann, die Geschäftsführung von Bethel im Norden. Sie begrüßten das Publikum und betonten die tolle Arbeit in den jeweiligen Bereichen innerhalb der Stiftung. Die Begrüßung war absichtlich kurz gehalten, denn alle drei wollten sich ebenso wie die 400 Besucher vom anstehenden Programm unterhalten und informieren lassen.
Der Ablauf sah vor, dass für je einen Bereich ein Verantwortlicher sein Engagement vorstellte, anschließend bewiesen Betroffene, Bewohner, Hilfesuchende und Mitarbeiter ihr Bühnentalent. Der Auftakt wurde präsentiert vom Schulverbund Freistatt, zunächst in der Person von Bereichs- und Schulleiter Heiner Thiemann. Hier wurde ein Bühnengeheimnis gelüftet, denn schon die ganze Zeit hatte das Publikum freie Sicht auf einige Gemälde deren Thema die unvergessene Malerin Frida Kahlo war. Die unterschiedlichen Portraits der 1954 verstorbenen Surrealistin aus Mexiko, gemalt von Schülerinnen des Schulverbunds zierten während des gesammten ersten Showteils das Bühnenbild. Anschließend sprachen Schülerinnen des Schulverbunds einige selbstverfasste Texte, die Einblicke in das Leben der Malerin gaben.
Im Gespräch mit Moderator Munke betonte Ulrike Fahlberg, wie wichtig der menschliche Umgang mit Senioren ist. Die Bereichsleiterin der Stationären Altenhilfe aus Hannover sei stolz, wie Personal und Bewohner gemeinsam harmonisieren, um – wie eine Bewohnerin erzählte – beidseitig zu profitieren. In einem anschließenden Lied und einem kleinen Theaterstück zum Thema Demenz wurden die Zuschauer dahingehend überzeugt, dass genau das auch wirklich funktioniert.
Nach diesen unterhaltsamen wie bewegenden Minuten kamen drei hochkarätige Gratulanten zu Wort. Konstanze Beckedorf, Sport- und Sozialdzernentin der Stadt Hannover, der Vorstandsvorsitzende der Bodelschwinghschen Stiftung Bethel, Pastor Ulrich Pohl sowie Pastor Hans-Joachim Lenke, Vorstandssprecher der Diakonie Niedersachsen, erinnerten an die Anfänge, als Bethel im Norden 2008 gegründet wurde. Sie betonten stolz, dass sich die Gründung von Bethel im Norden gelohnt habe. Nicht nur aufgrund der guten Arbeit für die Klienten in den verschiedenen Bereichen, sondern auch wirtschaftlich. Schliesslich ist die gesunde Finanzsituation auch ein Garant für die Weiterführung und den Ausbau der Arbeitsfelder von Bethel im Norden im Sinne der Mitarbeiter und natürlich vor allem im Interesse der Klienten, Patienten und Bewohner.
Rüdiger Scholz, Ansprechpartner der Jugendhilfe in Diepholz, durfte anschließend mit ganzem Stolz das Ergebnis einer interessanten Arbeit ankündigen. Ein Quartett aus Jugendlichen servierte den Zuhörern ein für diese Veranstaltung komponiertes Lied. Auf deutsch, mit starker Botschaft, servierte man Anspruchsvolles. Integriert war ein fulminater Rap eines der Schüler, der das gesamte Publikum im wahrsten Sinne des Wortes von den Stühlen riss. Frenetischer Applaus und Standing Ovations belohnten die souveräne Präsentation.
Ulrike Fahlberg war erneut auf der Bühne, um nun über die Arbeit in der Ambulanten Altenhilfe zu sprechen, sowie ein weiteres Lied anzukündigen, dass, wie im Showblock zuvor, speziell für diesen Nachmittag erarbeitet wurde. Zwei Frontsängerinnen bewiesen gemeinsam mit einem Chor aus Mitarbeitern der ambulanten Altenhilfe, das die Musik tatsächlich jung hält. Mit schwungvoller Dynamik brachten sie das Publikum in bester Laune.
Nach einem unterhaltsamen ersten Teil und einer verdienten Kaffeepause für Akteure und Publikum warteten alle sehr gespannt auf die Fortsetzung der Show. Frank Kruse, der Bereichsleiter der Wohnungslosenhilfe in Freistatt, kam im Gespräch mit Alexander Munke auf die fehlende Lobby Wohnungsloser zu sprechen. Die wenigen Ausnahmen beschränkten sich auf Klischees und Ausgrenzungen. Mit Projekten wie der Freistätter Online Zeitung und den Sommercamps der Selbtvertretung Vereinter Wohnungsloser versucht die Wohnungslosenhilfe der Diakonie Freistatt dem entgegenzuwirken. Bewohner der Wohnungslosenhilfe der Diakonie Freistatt machten dies in einem kleinen Theaterspiel so richtig deutlich. Ergänzend mit bebilderten Passagen aus der Geschichte der Armut und Wohnungslosenhilfe brachten sie auch die alltäglichen Schwierigkeiten, mit denen Wohnungslose tagtäglich zu kämpfen haben, auf die Bühne.
Der Umgang mit Suchtkranken ist die tagtägliche Herausforderung der Suchthilfe, die in der Fachklinik in Bassum angeboten wird, so Martin Hoppe von der Klinikleitung. Was Patienten dort mitunter erarbeitet haben, wurde anhand einer Collage vorgestellt. Dazu sprachen zwei Patientinnen der Suchthilfe mit großem Mut und entwaffnender Ehrlichkeit über ihre eigene Krankengeschichte und ihre Aussichten und Wünsche für die Zukunft. Dies wurde mit großem Applaus vom sichtlich berührten Publikum belohnt.
Der Bereichsleiter der Eingliederungshilfe Claus Freye erklärte gemeinsam mit dem Werkstattrat der proWerk Arbeit und Integration dem interessierten Publikum, wie wichtig der menschliche Umgang mit Menschen ist, die Hilfe wegen ihrer seelischen Erkrankungen suchen. Dadurch finden diese Menschen wieder leichter Zugang zur sogenannten "gesunden" Gesellschaft zurück. Der anschließende Chor machte das Publikum nicht nur "Atemlos", spätestens bei deren Version von Helene Fischers Hit verstanden sie zu begeistern. Und so wurde aus dem Septett auf der Bühne schnell ein Chor von über 400.
Auf Gemeinschaft legt man bei der Arbeit im Bildungszentrum Birkenhof in Hannover sehr hohen Wert. Wie das u. a. aussehen kann, davon bekamen die Zuschauer bei der musikalischen Darbietung eine positive Ahnung. Es wurde live musiziert, live gesungen und performt. Die Darbietung des jugendlichen Chores, die sich mit ihrem Tagesablauf, der Ausbildung und den täglichen Schwierigkeiten beschäftigte, war bunt und sehr abwechslungsreich.
Da unsere Redaktion sich nun aus zeitlichen Gründen auf den Rückweg machen musste, konnten wir die Darbietung der angekündigten Formation „oder so“ leider nicht mehr genießen, wir mussten leider auch auf die Dankesworte der Geschäftsführung verzichten, die am Ende eines tollen Nachmittags standen. Dankeschön dürfen wir aber auf diesem Wege sagen, sowohl für die Einladung in die Christuskirche in Hannover als auch allen Akteuren der Gala für die tolle Präsentation.
Bethel im Norden bot seinen Gästen ein Programm aus ernsthafter Information und viel Unterhaltung. Dieser Spagat ist mit Sicherheit gewagt. Aber genau das hat funktioniert. Es gibt so viele ernste Themen auf der Welt, das man bei einigen wütend oder traurig werden müsste. Aber – hilft das? Bestimmt. Aber nicht ausschließlich. Wer auch die Leichtigkeit des Lebens wiedererkennt, der findet sehr wahrscheinlich eher Lösungen. Die festliche Veranstaltung zu 10 Jahre Bethel im Norden hat bewiesen, das man auf unterhaltende Art den Problemen trotzen kann. Der eigenen Lebensqualität kann es nur gut tun. 10 Jahre Bethel im Norden – ein erstes Jubiläum, aber auch ein Anfang für viele Menschen, die dabei gewesen sind. Natürlich gibt es viele Punkte an denen immer noch vieles verbessert werden kann, gerade im Angesicht der wachsenden sozialen Konflikte. Aber an diesem Tag bekam man den Eindruck, dass auch die zukünftigen Herausforderungen bei Bethel im Norden in guten Händen liegen.