Am 6. und 7. Dezember 2018 hatte die BAG Wohnungslosenhilfe zum Fachtag „Partizipation in der Wohnungslosenhilfe“ nach Eisenach eingeladen. Als Tagungsort diente das idyllisch unter der Wartburg gelegene Hotel Haus Hainstein, ein historisches Tagungshotel der evangelischen Kirchen und ehemaliges Sanatorium, das ab 1888 erbaut wurde.
Mehr zu diesem Thema im Artikel vom 16.07.2020:
• Die BAG Wohnungslosenhilfe möchte „Mehr Partizipation wagen“
Dr. Rolf Jordan vom BAG W Fachreferat III (Entwicklung sozialer Dienste und Sozialplanung, Arbeit und Qualifizierung, Migration und Partizipation) hatte dazu unter der Bedingung eingeladen, dass Mitarbeitende von Trägern und Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe (WLH) nur zusammen mit einem aktuell oder ehemals von Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen teilnehmen konnten. Dadurch wurde eine breite Beteiligung „Betroffener“ gewährleistet, die unserer Meinung nach zum Aufbau echter Partizipation in der WLH auch künftig bei solchen Veranstaltungen nötig ist.
Grundfragen zur Partizipation
Die Veranstaltung begann am Donnerstag um 14:00 Uhr mit der Begrüßung der Teilnehmenden durch Werena Rosenke, die Geschäftsführerin der BAG Wohnungslosenhilfe e. V., Berlin, und Dr. Rolf Jordan, der kurz die Arbeit der BAG W vorstellte und dann die jetzt schon bestehenden Möglichkeiten der Beteiligung von aktuell und ehemals von Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen erläuterte.
Rolf Jordan verkündete dabei auch die geplante Bildung einer Facharbeitsgemeinschaft „Partizipation“ bei der BAG W, die das klare Ziel habe, die Beteiligung „Betroffener“ bei der Weiterentwicklung des Hilfesystems der WLH in Zukunft deutlich zu verbessern und auch eine Mitarbeit „Betroffener“ in den Fachgremien der BAG W neu zu organisieren.
Danach wurden gegen 15:00 Uhr zwei mal zwei Workshops gebildet, in denen zunächst getrennt nach „Professionellen“ und „Betroffenen“ in kleineren Runden über das Thema Partizipation diskutiert werden konnte. Diese Workshops wurden jeweils von einem Tandem aus einem „Betroffenen“- und einem „Professionellem“-Moderator geleitet. (Gemäß dem Motto „Gebt den Betroffenen mehr Übungsraum, sich auszudrücken und zu Wort zu kommen!“ – das finden wir sehr lobenswert, so sollte bei viel mehr Veranstaltungen verfahren werden!)
In unseren („Betroffenen“-) Gruppen war dabei zunächst ein deutliches Bedürfnis erkennbar, von eigenen Erfahrungen mit manchmal gelungenen, öfter aber nicht befriedigenden oder gar gescheiterten Formen von Mitbestimmung in Einrichtungen der WLH zu berichten. Für uns stellte sich dabei die Frage, ob bei künftigen Treffen „Betroffener“ aus vielen unterschiedlichen Regionen Deutschland nicht vorab eine besondere Kennenlernrunde eingeplant werden sollte. Die Arbeit in den Workshops könnte sich dann wahrscheinlich noch intensiver dem betreffenden Thema widmen.
Ausgestaltung von Partizipation
Am Freitag gab es morgens in der großen gemeinsamen Runde eine erste Zusammenfassung der Ergebnisse aller vier Workshops vom Vortag. Danach wurden in vier weiteren Workshops die Ergebnisse vom Vortag vertieft, bei weiteren Diskussionen um neue Fragestellungen ergänzt und zuletzt in großer Runde abschließend vorgestellt.
Gegen Mittag stellte Rolf Jordan zum Ende der Veranstaltung dann die Forderung auf, dass beim Thema Partizipation die Rahmenbedingungen stimmen müssten. Das bedeute insbesondere, dass es nicht am Geld fehlen dürfe. Er sehe dabei Politiker und Gesetzgeber in der Pflicht, versprach aber auch die Unterstützung der BAG W um künftig regionale und nationale Treffen „Betroffener“ zu ermöglichen. Rolf Jordan bedankte sich für die lebhaften und gut strukturierten Diskussionen bei der Tagung und versprach eine kommende Auswertung durch die BAG W.
Werena Rosenke betonte zuletzt, dass die Diskussionen der Tagung die Notwendigkeit einer eigenen Facharbeitsgemeinschaft „Partizipation“ deutlich gemacht hätten, die dann auf der BAG W Bundestagung 2019 auch beschlossen werden solle.
Wir empfanden die gesamte Tagung als angenehm offene und kommunikative Veranstaltung, um grundsätzliche Aspekte, Wünsche und Problematiken zum Thema „Partizipation in der WLH“ mit anderen interessierten Menschen zu diskutieren. Jede/r Teilnehmende/er konnte dazu seine persönlichen Beobachtungen und Erwartungen einbringen, was in den Bildern der erstellten Flipcharts aller Workshops sehr deutlich wird. (die Bilder in der Popup-Ansicht können nach Öffnen in einem neuen Fenster auch in extra-groß angesehen werden. Die Reihenfolge der Flipcharts im Artikel ist nicht wirklich chronologisch, bedingt durch die gemeinsame Aufstellung auf der Bühne der großen Abschlussrunde.)
Unsere Erkenntnisse
„Partizipation in der WLH“ ist sicher ein relativ komplexes Thema, das auf mehreren Ebenen weiter entwickelt werden sollte:
- beim persönlichen Umgang von Sozialarbeitenden („Professionellen“) und „Betroffenen“
- bei Trägern bzw. innerhalb von Einrichtungen der WLH
- auf Länderebene
- auf Bundesebene
- auf EU-Ebene in einem zusammenwachsenden Europa?
Die „Betroffenen“ müssen dabei ausreichend unterstützt werden:
- Organisatorisch z. Bsp. durch Möglichkeiten zur Einrichtung eines Büros, durch Fortbildungen und politische Bildung
- finanziell zur Durchführung bzw. Teilnahme an Besprechungen und Tagungen
- in der Gruppe durch Offenheit für nachrückende Interessenten und
„in Kontakt bleiben“ mit Menschen, die ihre persönliche Wohnungslosigkeit überwunden haben – und dann leider oft den Kontakt zu anderen „Betroffenen“ verlieren … - Ermutigung und Anregung zur Beteiligung „Betroffener“ durch Sozialarbeitende als Möglichkeit sich einzubringen und soziale Kontakte aufzubauen und zu pflegen
Ausblick – Facharbeitsgemeinschaft
Zuletzt möchten wir uns – sicher auch im Namen der anderen Teilnehmenden – recht herzlich bei Rolf Jordan, beim Organisationsteam der BAG W und beim gesamten Serviceteam des Hotels Haus Hainstein für die gelungene Organisation und Durchführung dieser Tagung bedanken.
Sie alle haben diese zwei Tage in Eisenach zu einer bleibenden guten Erinnerung bei uns gemacht. Wir hoffen, dass möglichst viele Teilnehmende dieser Tagung vielleicht auch einen gewissen Anflug von Aufbruchstimmung gespürt haben? … und deshalb das BAG W Angebot nutzen werden, sich in den von Rolf Jordan angebotenen E‑Mail-Verteiler zur Gründung der künftigen Facharbeitsgemeinschaft „Partizipation“ eintragen zu lassen.