Erinnerungen des August Uchtmann über die Kultivierung des Freistätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.
Einleitung
Als im vergangenen Jahr Herr Pastor Janßen an mich herantrat mit der Bitte, einen Überblick über die Kultivierung des Moores und meine damit verbundene Tätigkeit schriftlich darzulegen, wurde es mir klar, wie fest ich mit den Mooren verwachsen bin.
Als Kind, am Rande desselben geboren, erhielt mein Leben durch die Tätigkeit in dieser Einöde, denn mein ganzes Leben bis zum heutigen Tage spielte sich im Moor ab. Es war ein Kampf um die Urbarmachung des Bodens, der auch trotz der Misserfolge doch mit einem Sieg endete. Von diesem Kampf sollen nun die nachfolgenden Zeilen erzählen.
Freistatt im März 1926
Ich wurde am 28. September 1968 als Sohn des Armenvogts und Gemeindedieners Karl Uchtmann in Ströhen, Kreis Sulingen geboren. In den Schulferien musste ich meinen Eltern in der Landwirtschaft helfen, vor Schulbeginn erst noch die Kühe hüten, auch dreschen helfen oder sonstige Arbeiten verrichten. Nach Entlassung aus der Schule erhielt ich noch ein halbes Jahr rechnerischen und schriftlichen Unterricht.
Im Alter von 16 Jahren kam ich im Jahre 1884 zum Waldwärter Rohlfs in Strange, um die Landwirtschaft zu erlernen. Es war dies zu der Zeit, wo der Kunstdünger eingeführt wurde, wenigstens in hiesiger Gegend. Viele Bauern standen damals dem Dünger misstrauisch gegenüber. Die Regierung in Hannover suchte zu der Zeit Besitzer, die sich bereit erklärten, auf Wiesen Versuche mit Kunstdünger zu machen. Die Versuche wurden in den ersten Jahren größtenteils auf dem Besitztum des Herrn Rohlfs ausgeführt.
Neuerung Kunstdünger
Dann fanden sich auch noch einige andere Besitzer zu diesen Proben bereit. Es wurden zuerst kleine Versuche auf Staatskosten unternommen, um den Leuten zu zeigen, dass auch auf braunem Moor etwas wachsen könnte. Zuerst herrschte unter der Bauernschaft großes Erstaunen, wie die jungen Gräser in dem braunen Torf emporschossen. Das hatten die am Moor liegenden Ortschaften und Besitzer nämlich nie gedacht, dass dort außer Heide noch Gras wachsen könnte.
Doch dann kam wieder das Misstrauen des Bauern gegen jede Neuerung in der Landwirtschaft zum Vorschein. „Ja, sagten sie, das ist alles schön und gut, wie jetzt nach dem Kunstdünger die Gräser hervorkommen, aber wir wollen doch noch lieber einige Jahre mit dem Kunstdünger warten, denn es könnte ja sein, dass der künstliche Dünger wohl erst fruchtbringend wirkt, dann aber jegliche Kraft dem Erdboden entzieht, so dass nachher nicht einmal mehr Heidekraut wächst. Also warten wir lieber ab.“
Aber die Regierung ließ nicht locker, denn man ging nun zur Ackerkultur auf Hochmoore über. Und siehe, es gab gute Erfolge. Nun gingen den Bauern endlich die Augen auf, sie fingen an sich für die Sache zu begeistern, und es meldeten sich zu den Versuchen mit Kunstdünger immer mehr Besitzer, so dass die meisten moorliegenden Ortschaften soweit wie möglich mit solchen Versuchen betraut wurden. Den Kunstdünger gab der Staat anfangs kostenlos, die Kultivierversuche mussten die Antragsteller machen, aber die Ernten mussten gewogen werden, das war die vom Staate gestellte Bedingung.
Da ich nun in diesen Jahren mit der Verwendung des Kunstdünger vertraut war, übernahm ich im Jahre 1890 auf Veranlassung des Herrn Rohlfs in Strange die Kultivierungsarbeiten von Ödländereien und die Aufsicht über die großen Sand-und Mullwehflächen im Wietings- und Uchter Moor. Die Leitung der Sand-und Mullwehflächen unterstand Herrn Forstrat Deckert, die Kulturarbeiten und Düngeversuche auf Wiesen sowie Getreideanbau Herrn Regierungsrat Brügmann. Beide Herren hatten ihren Wohnsitz in Hannover.
Ehemalige Mullwehflächen
Da es in der heutigen Zeit im Wietingsmoor keine Sand- und Mullwehflächen mehr gibt, möchte ich die Entstehung desselben ganz kurz erklären. Diese Sand- und Mullwehflächen waren durch das Abhauen der Heide und durch Weiden der Schafe entstanden.
(An dieser Stelle macht Herr von Lepel folgende Ergänzung handschriftlich in den Uchtmannbericht hinein. „Vor allem aber durch das sogenannte Hochfrieren der kahlen anmoorigen Randmoorflächen (flaches Moor mit Sand abwechselnd) im Winter. Im Sommer trocknen diese Flächen aus, wurden von den Heidschnucken noch lockerer getreten. Etwa von Juni ab fasste dann der über das weite Moor ohne jede Hinderung streifende Weststurm diese losen Massen aus Sand und verkohltem Moortorf bestehend, und trieb sie kilometerweit vor sich her, so dass Brunnen und Höfe verschüttet wurden.)
Diese Flächen, erst wohl klein, nahmen bei stärkeren Winden eine immer größere Ausdehnung an, wodurch die lose, trockene Moor-oder Sandschicht in Bewegung gebracht und kilometerweit getragen wurde, bedeckte die noch grüne Heide und brachte dieselbe zum Absterben. Es gab Flächen ohne jede Vegetation, nur das braune Moor, oder der helle Sand von 800 bis 1.000 Morgen groß.
Wurde nun eine solche Fläche durch Sturm in Bewegung gebracht, verfinsterte sich der Himmel von dem Staube, flog weit über die anliegenden Gehöfte, drang durch die Ritzen der Türen und der Fensterläden, so dass Tische und Stühle mit einer dicken Schicht von Mull bedeckt waren. Es kam soweit, dass die nahe am Moor liegenden Gehöfte in Gefahr kamen, ganz zu verwehen. Dieses ist tatsächlich bei einem Gehöft mit Windmühle in Dörrieloh geschehen. Der Besitzer hat sein Haus und seine Mühle abbrechen müssen und sich neu angesiedelt.
Als ich im Jahre 1891 dieses Grundstück aufforstete und mit Kiefern bepflanzte, meinte der frühere Besitzer, “Sie können mir die im Boden steckengebliebenen Brunnenringe ausgraben.“ Er zeigte mir die Stelle, wo dieselben sitzen sollten. Und tatsächlich, in einem Meter Tiefe stieß man auf den obersten Ring. So hoch war Hof, Garten und Ackerland überflogen mit Sand. Die Stelle ist heute noch zu zeigen.
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