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Frei­stätter Weih­nachts­ka­lender 2019
Uchtmanns Moor­be­richt – Teil 6

Erin­ne­rungen des August Uchtmann über die Kulti­vie­rung des Frei­stätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.

      

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Erschwerte Graben-Arbeiten

War nun eine Strecke von 10 bis 20 Meter lang der untere Brenntorf ausge­bag­gert, so riss der obere helle Moortorf oft bis hinter und neben der Maschine, sogar auch von der anderen Seite des Durch­stichs und rutschte so von beiden Seiten in den ausge­gra­benen Torf­graben, so dass die Elira­toren mit Schlamm und Wasser angefüllt wurden. Das sich schnell ansam­melnde Wasser musste dann mittels einer großen Pumpe, welche durch die Loko­mo­bile ange­trieben, ausge­pumpt werden, um die Arbeit fortzusetzen.

Morgens vor Beginn der Arbeit musste oft eine Stunde gepumpt werden. Beim Rein­rut­schen der Seiten­wände geriet die Maschine oft in Gefahr umzu­stürzen und in den Durch­stich zu verschwinden. Wenn am Abend die Arbeit beendet war, kam uns oft der Gedanke, morgen liegt die Maschine im Durch­stich, aber glück­li­cher­weise ist es dazu nie gekommen.

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unsplash.com – © Rachel C. – medi­ta­ting­d­ragon – Moorbild 11

Auch das Abfahren des nassen Braun­torfes seitlich von der Torf­presse zum Trocknen war mit allerlei Hinder­nissen verbunden. Auf den noch wenig entwäs­serten Torf­fel­dern war das Moor noch nass und sumpfig, so dass die Gleise, auf welche die Etagen­loren mit dem auf Torf­bret­tern liegenden fertigen Brenntorf liefen, ins weiche Moor versanken. Ja oft stürzten alle Loren um und waren dann ein buntes Durch­ein­ander von schlam­migen Moordreck, Torf­bret­tern und Loren. Sollte in solchen Fällen keine Stockung des Betriebes eintreten, so wurde schnell alles beiseite geräumt und die Stellen durch Unter­legen der Gleise mit Brettern oder Heide­bulten ausgebessert.

Diese Torf­ar­beiten wurden alle nur von den Brüdern der Land­straße ausge­führt. Es war nicht so leicht für jeden diese schwere Arbeit auszu­führen, waren doch fast alle Berufs­klassen vertreten. Kaufmann, Schreiber, Techniker, Schneider, Schuster usw., alles bunt durch­ein­ander, die meisten davon hatten in ihrem Leben nie Moor gesehen.

Sollten nun solche Leute unten bis an die Knie im Sumpf und Dreck stehend, die schwarzen Torf­massen in den Elirator einladen, oder oben die schwarzen Torf­bretter von der Presse abnehmen, die Loren schieben usw., dann ging es wohl ein paar Stunden gut, aber allmäh­lich versagten die Kräfte und es ging oft bei bestem Willen nicht mehr.

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Messbare Erfolge

Es ist ja ganz natürlich, dass manche Leute nicht arbeiten wollten, aber viele hatten wohl den festen Willen durch­zu­halten, aber die Kräfte reichten nicht aus. Oft hab ich ratlos dage­standen, wenn die Leute fort­gingen und ich erst neue Kräfte heran­holen musste und der ganze Betrieb stockte. Diese Torf­ar­beiten wurden alle im Akkord ausge­führt. Die Anstalt zahlte für 1.000 Bretter Brenntorf neun Mark. Bei einer durch­schnitt­li­chen Tages­leis­tung von rd. 6.000 Brettern (54 Mark) bei 20 Mann Bedienung, verdiente der Arbeiter 2,70 Mark pro Tag, an Kostgeld wurde den Leuten pro Tag 0,80 Mark ange­rechnet, so dass dieselben noch einen Barver­dienst von 1,90 Mark pro Tag hatten.

In manchen Wochen wurde auch mehr geschafft. Aus meinen Büchern ersehe ich, dass z. Bsp. im Juli und August 42 bis 46.000 Bretter (a Brett 6 Soden) pro Woche geleistet worden sind, 252 bis 272.000 Soden. Die meisten Leute verpflich­teten sich, die Torf­kam­pagne durch­zu­halten und bekamen noch einen kleinen Zuschlag an Lohn extra bei Been­di­gung derselben ausge­zahlt. So wurde dann der erste Durch­stich nach mühe­voller Arbeit von 2 km Länge in vier Monaten fertig gestellt. Mit dem Aufhören der Torf­ma­schine, Torf­ste­chen und Verar­beiten des Torfes gingen die Kolo­nisten, die den Sommer über geblieben waren, fort, hatten sie sich doch ein schönes Stück Geld verdient und gespart.

Aber bei vielen hat es sich leider nicht lange gehalten, dann war alles verzehrt und vertrunken, bei manchen kaum 14 Tage, dann kamen sie nach hierher zurück, mittellos und zerlumpt, ja manche, die sich neue Anzüge, Schuhe, Uhr und derglei­chen ange­schafft hatten und noch 100 bis 150 Mark ausge­zahlt bekamen, waren nach zwei bis vier Wochen wieder hier und hatten alles versetzt. Es ist vorge­kommen, dass einzelne Leute – oft gerade dieje­nigen bei denen man es sich erhoffte, dass sie von ihrem Laster befreit seien und die auch unter dem Verspre­chen fort­gingen – dann war alles verjubelt und vertrunken.

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Manche trieben sich wochen­lang in der Umgebung herum, bis die Polizei eingriff und diese armen Menschen ins Gefängnis oder nach hier zurück­brachte. So auch ein früherer Ober­lehrer, A. Museboll, ein tüchtiger, fleißiger Arbeiter, auf den ich große Stücke gehalten habe und sicher hoffte, er würde sich draußen halten. So ist es dann den Aller­meisten gegangen.

(An dieser Stelle macht Herr v. Lepel folgende Ergänzung hand­schrift­lich in den Ucht­mann­be­richt hinein:
Wie Uchtmann beschrieben hat, wurden die ersten zwei Jahre in Freistatt mit russisch-polni­schen Wander­ar­bei­tern die Entwäs­se­rung und der Torfstich betrieben. Diese Ostländer waren bei ihrer schweren Arbeit an reichlich Schnaps­ge­nuss gewöhnt. So kam es, dass der Schnaps­wagen einer Varreler Gast­wirt­schaft an den sog. Polen­ba­ra­cken (heute Moor­pen­sion / Neu-Freistatt) hielt, während den sog. Kolo­nisten in Freistatt jeder Alko­hol­ge­nuss strengs­tens verboten war. Schließ­lich ist ja auch eine Anstalts- und Arbei­ter­ko­lonie für Arbeits­lose und Erzie­hungs­be­dürf­tige nicht dazu da, den Schnaps saufenden polnisch-russi­schen Wander­ar­bei­tern zu beschäf­tigen, wenn auch im Sommer die Zahl der Land­stra­ßen­brüder oft auf bis 1 Zehntel der Winter­be­set­zung herabsank.)

Lohn der harten Arbeit

Es konnte viel­leicht noch verant­wortet werden, die ersten Erschlie­ßungs­ar­beiten mit diesen Wander­ar­bei­tern aus dem Osten zu machen, aber weiterhin musste unbedingt versucht werden, mit den Anstalts­in­sassen auch die sommer­li­chen Torf­ar­beiten zu bewäl­tigen. Als ich daher im Winter 1902/03 nach Freistatt kam, schlug ich vor, die Kolo­nisten auch im Sommer in größerer Anzahl in Freistatt zu halten durch Entloh­nung. Pastor von Bodel­schwingh stimmte meinem Vorschlag zu.

Aller­dings konnte ich nach meinen damaligen Erfah­rungen nicht voraus­sehen, dass diese haltlosen und heimat­losen und entwur­zelten Menschen den ganzen Verdienst im Herbst nach der Auszah­lung vertrinken und verschwinden würden. Jeden­falls hat in den späteren Jahren sich gezeigt, dass es möglich war, durch etwas höhere Entloh­nung und Auszah­lung in Herbergs-Spar­marken mehr Kolo­nie­in­sassen auch im Sommer zu halten und alle Arbeiten mit ihnen, den Fürsor­ge­zög­lingen und anderen Pfle­ge­be­foh­lenen zu beschicken.

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Da sagte sich Vater von Bodel­schwingh, so kann es nicht weiter­gehen, ich wollte den Leuten helfen sich einen kleinen Verdienst zu sparen, und nun vertun sie das Geld sinn­lo­ser­weise in den Wirts­häu­sern. Sein Gedanke war der, die Leute sollten sich hier ein kleines Stück Geld verdienen und sparen. Dann wollte er denen, die sich dafür eigneten, ein kleines Häuschen bauen lassen und diese Leute sollten dann hier weiter beschäf­tigt werden, um sie ganz von der Land­straße fortzuziehen.

Aber sein innigster Wunsch ist leider nicht in Erfüllung gegangen. In den folgenden Jahren wurde nun anders mit dem Verdienst und der Auszah­lung verfahren. Dieje­nigen, die ein Guthaben hatten, erhielten kein bares Geld mehr bei ihrem Abgang, sondern bekamen einen Gutschein, soge­nannte Herbergs-Moor­scheine. Auf diese Scheine konnten dieselben Teile ihres Guthabens in verschie­denen Wander­her­bergen abheben, aber nicht alles in einer Herberge. Damit sollte erreicht werden, dass die Wander­bur­schen das bare Geld nicht auf einmal in die Hand bekamen, um es wieder zu vertun, sondern es sollte ihnen noch ein Spar­gro­schen in der Not verbleiben.
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• Ende Teil 6 • (… der Erin­ne­rungen des August Uchtmann über die Kulti­vie­rung des Frei­stätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.)


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