Erinnerungen des August Uchtmann über die Kultivierung des Freistätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.
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Erschwerte Graben-Arbeiten
War nun eine Strecke von 10 bis 20 Meter lang der untere Brenntorf ausgebaggert, so riss der obere helle Moortorf oft bis hinter und neben der Maschine, sogar auch von der anderen Seite des Durchstichs und rutschte so von beiden Seiten in den ausgegrabenen Torfgraben, so dass die Eliratoren mit Schlamm und Wasser angefüllt wurden. Das sich schnell ansammelnde Wasser musste dann mittels einer großen Pumpe, welche durch die Lokomobile angetrieben, ausgepumpt werden, um die Arbeit fortzusetzen.
Morgens vor Beginn der Arbeit musste oft eine Stunde gepumpt werden. Beim Reinrutschen der Seitenwände geriet die Maschine oft in Gefahr umzustürzen und in den Durchstich zu verschwinden. Wenn am Abend die Arbeit beendet war, kam uns oft der Gedanke, morgen liegt die Maschine im Durchstich, aber glücklicherweise ist es dazu nie gekommen.
Auch das Abfahren des nassen Brauntorfes seitlich von der Torfpresse zum Trocknen war mit allerlei Hindernissen verbunden. Auf den noch wenig entwässerten Torffeldern war das Moor noch nass und sumpfig, so dass die Gleise, auf welche die Etagenloren mit dem auf Torfbrettern liegenden fertigen Brenntorf liefen, ins weiche Moor versanken. Ja oft stürzten alle Loren um und waren dann ein buntes Durcheinander von schlammigen Moordreck, Torfbrettern und Loren. Sollte in solchen Fällen keine Stockung des Betriebes eintreten, so wurde schnell alles beiseite geräumt und die Stellen durch Unterlegen der Gleise mit Brettern oder Heidebulten ausgebessert.
Diese Torfarbeiten wurden alle nur von den Brüdern der Landstraße ausgeführt. Es war nicht so leicht für jeden diese schwere Arbeit auszuführen, waren doch fast alle Berufsklassen vertreten. Kaufmann, Schreiber, Techniker, Schneider, Schuster usw., alles bunt durcheinander, die meisten davon hatten in ihrem Leben nie Moor gesehen.
Sollten nun solche Leute unten bis an die Knie im Sumpf und Dreck stehend, die schwarzen Torfmassen in den Elirator einladen, oder oben die schwarzen Torfbretter von der Presse abnehmen, die Loren schieben usw., dann ging es wohl ein paar Stunden gut, aber allmählich versagten die Kräfte und es ging oft bei bestem Willen nicht mehr.
Messbare Erfolge
Es ist ja ganz natürlich, dass manche Leute nicht arbeiten wollten, aber viele hatten wohl den festen Willen durchzuhalten, aber die Kräfte reichten nicht aus. Oft hab ich ratlos dagestanden, wenn die Leute fortgingen und ich erst neue Kräfte heranholen musste und der ganze Betrieb stockte. Diese Torfarbeiten wurden alle im Akkord ausgeführt. Die Anstalt zahlte für 1.000 Bretter Brenntorf neun Mark. Bei einer durchschnittlichen Tagesleistung von rd. 6.000 Brettern (54 Mark) bei 20 Mann Bedienung, verdiente der Arbeiter 2,70 Mark pro Tag, an Kostgeld wurde den Leuten pro Tag 0,80 Mark angerechnet, so dass dieselben noch einen Barverdienst von 1,90 Mark pro Tag hatten.
In manchen Wochen wurde auch mehr geschafft. Aus meinen Büchern ersehe ich, dass z. Bsp. im Juli und August 42 bis 46.000 Bretter (a Brett 6 Soden) pro Woche geleistet worden sind, 252 bis 272.000 Soden. Die meisten Leute verpflichteten sich, die Torfkampagne durchzuhalten und bekamen noch einen kleinen Zuschlag an Lohn extra bei Beendigung derselben ausgezahlt. So wurde dann der erste Durchstich nach mühevoller Arbeit von 2 km Länge in vier Monaten fertig gestellt. Mit dem Aufhören der Torfmaschine, Torfstechen und Verarbeiten des Torfes gingen die Kolonisten, die den Sommer über geblieben waren, fort, hatten sie sich doch ein schönes Stück Geld verdient und gespart.
Aber bei vielen hat es sich leider nicht lange gehalten, dann war alles verzehrt und vertrunken, bei manchen kaum 14 Tage, dann kamen sie nach hierher zurück, mittellos und zerlumpt, ja manche, die sich neue Anzüge, Schuhe, Uhr und dergleichen angeschafft hatten und noch 100 bis 150 Mark ausgezahlt bekamen, waren nach zwei bis vier Wochen wieder hier und hatten alles versetzt. Es ist vorgekommen, dass einzelne Leute – oft gerade diejenigen bei denen man es sich erhoffte, dass sie von ihrem Laster befreit seien und die auch unter dem Versprechen fortgingen – dann war alles verjubelt und vertrunken.
Manche trieben sich wochenlang in der Umgebung herum, bis die Polizei eingriff und diese armen Menschen ins Gefängnis oder nach hier zurückbrachte. So auch ein früherer Oberlehrer, A. Museboll, ein tüchtiger, fleißiger Arbeiter, auf den ich große Stücke gehalten habe und sicher hoffte, er würde sich draußen halten. So ist es dann den Allermeisten gegangen.
(An dieser Stelle macht Herr v. Lepel folgende Ergänzung handschriftlich in den Uchtmannbericht hinein:
Wie Uchtmann beschrieben hat, wurden die ersten zwei Jahre in Freistatt mit russisch-polnischen Wanderarbeitern die Entwässerung und der Torfstich betrieben. Diese Ostländer waren bei ihrer schweren Arbeit an reichlich Schnapsgenuss gewöhnt. So kam es, dass der Schnapswagen einer Varreler Gastwirtschaft an den sog. Polenbaracken (heute Moorpension / Neu-Freistatt) hielt, während den sog. Kolonisten in Freistatt jeder Alkoholgenuss strengstens verboten war. Schließlich ist ja auch eine Anstalts- und Arbeiterkolonie für Arbeitslose und Erziehungsbedürftige nicht dazu da, den Schnaps saufenden polnisch-russischen Wanderarbeitern zu beschäftigen, wenn auch im Sommer die Zahl der Landstraßenbrüder oft auf bis 1 Zehntel der Winterbesetzung herabsank.)
Lohn der harten Arbeit
Es konnte vielleicht noch verantwortet werden, die ersten Erschließungsarbeiten mit diesen Wanderarbeitern aus dem Osten zu machen, aber weiterhin musste unbedingt versucht werden, mit den Anstaltsinsassen auch die sommerlichen Torfarbeiten zu bewältigen. Als ich daher im Winter 1902/03 nach Freistatt kam, schlug ich vor, die Kolonisten auch im Sommer in größerer Anzahl in Freistatt zu halten durch Entlohnung. Pastor von Bodelschwingh stimmte meinem Vorschlag zu.
Allerdings konnte ich nach meinen damaligen Erfahrungen nicht voraussehen, dass diese haltlosen und heimatlosen und entwurzelten Menschen den ganzen Verdienst im Herbst nach der Auszahlung vertrinken und verschwinden würden. Jedenfalls hat in den späteren Jahren sich gezeigt, dass es möglich war, durch etwas höhere Entlohnung und Auszahlung in Herbergs-Sparmarken mehr Kolonieinsassen auch im Sommer zu halten und alle Arbeiten mit ihnen, den Fürsorgezöglingen und anderen Pflegebefohlenen zu beschicken.
Da sagte sich Vater von Bodelschwingh, so kann es nicht weitergehen, ich wollte den Leuten helfen sich einen kleinen Verdienst zu sparen, und nun vertun sie das Geld sinnloserweise in den Wirtshäusern. Sein Gedanke war der, die Leute sollten sich hier ein kleines Stück Geld verdienen und sparen. Dann wollte er denen, die sich dafür eigneten, ein kleines Häuschen bauen lassen und diese Leute sollten dann hier weiter beschäftigt werden, um sie ganz von der Landstraße fortzuziehen.
Aber sein innigster Wunsch ist leider nicht in Erfüllung gegangen. In den folgenden Jahren wurde nun anders mit dem Verdienst und der Auszahlung verfahren. Diejenigen, die ein Guthaben hatten, erhielten kein bares Geld mehr bei ihrem Abgang, sondern bekamen einen Gutschein, sogenannte Herbergs-Moorscheine. Auf diese Scheine konnten dieselben Teile ihres Guthabens in verschiedenen Wanderherbergen abheben, aber nicht alles in einer Herberge. Damit sollte erreicht werden, dass die Wanderburschen das bare Geld nicht auf einmal in die Hand bekamen, um es wieder zu vertun, sondern es sollte ihnen noch ein Spargroschen in der Not verbleiben.
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• Ende Teil 6 • (… der Erinnerungen des August Uchtmann über die Kultivierung des Freistätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.)