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Frei­stätter Weih­nachts­ka­lender 2019
Uchtmanns Moor­be­richt – Teil 2

Erin­ne­rungen des August Uchtmann über die Kulti­vie­rung des Frei­stätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.

      

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Kulti­vie­rungs­ar­beiten im Moor

Diese Mull­weh­flä­chen ohne jede Vege­ta­tion wurden mit Heide­plaggen oder Woll­gras­wur­zel­stü­cken bepflanzt, in ein bis zwei Verband Gräben gezogen, die Graben­wälle mit zwei Reihen Birken bepflanzt, um den Winden keinen freien Zutritt zu diesen Flächen zu bieten. Die Kulti­vie­rungs­ar­beiten zur Anlage von Acker und Wiesen der Ödland Flächen gestal­teten sich besonders schwierig. Dadurch, dass dieselben in zwei bis fünf Kilometer Entfer­nung vom Sandboden aus im Hochmoor angelegt worden.

Moorbild 3 - (c) C. Andrew Coates - unsplash.com
Moorbild 3 – © C. Andrew Coates – unsplash.com

Diese Flächen wurden erst entwäs­sert, dann mit der Hand gehackt, was eine besonders schwere, mühevolle Arbeit war. Die Arbeiter bekamen für ein Ar 1 bis 1,20 Mark für das Hacken, für die Anlage von Entwäs­se­rungs­gräben pro cbm 8 bis 10 Pfennig, so dass man tüchtig arbeiten musste, um am Tag 3 Mark zu verdienen. Nun möchte ich folgende schwie­rigen Arbeiten noch kurz schildern.

Nach dem ersten Hacken des Moores wurde der Kunst­dünger ausge­streut. Dies war nicht so leicht und bequem, der Kunst­dünger wurde mit dem Wagen soweit gefahren, als fester Boden war. Dann wurde derselbe nicht mittels einer Karre trans­por­tiert, sondern der Zent­ner­sack wurde auf den Buckel genommen und noch 2 bis 500 Meter nach der Kultur­stätte gebracht. Nach dem Ausstreuen des Düngers wurde noch mal gehackt und geeggt, Samen gesät, nochmals geeggt und gewalzt.

Mühevolle Hand­ar­beiten

Diese Arbeiten wurden nicht von den Pferden, Maschinen oder Motoren, wie heut­zu­tage ausge­führt, sondern alles von Menschen­hand gemacht. Sie hackten, zogen die Egge und Walze, denn Pfer­de­holz­schuhe gab es noch keine. Den Pfer­de­be­sitzer in der Umgebung konnte man damals pro Tag 100 Mark bieten, sie hätten doch ihren Pferden keine Holz­schuhe angezogen. Ich erinnere mich noch eines Falles, wo ich in späterer Zeit den Pferden eines Bauern, der den Dünger zur Kultur­stelle fahren musste, Holz­schuhe anzu­ziehen versuchte. Derselbe sagte: „Ziehst du meinen Pferden Schuhe an, werfe ich den Dünger ab und fahre nach Hause!“ Auf meine Bitte hin, er möge dann doch soweit wie irgendwie möglich fahren, tat er es auch.

Moorbild 4 - (c) Djalu A. P. - unsplash.com

Zum Unglück kamen wir aber auf eine weiche Stelle, so dass Pferde und Wagen in das Moor sanken und mit großer Mühe heraus­ge­bracht wurden. Wie alles in Ordnung war und die Pferde festen Boden hatten, schwor er mir hoch und heilig, nie in seinem Leben würde er für Geld und gute Worte auch nur einen Sack für uns ins Moor fahren.

Aufsicht über die Moorflächen

Nebenbei hatte ich noch die Aufsicht über das unbefugte Schaf­weiden, Heide­mähen und sonstigen straf­baren Hand­lungen, in dem vom Staate durch poli­zei­liche Verfü­gungen in Schonung gelegten Mull- und Sandwehen, sowie über die neu ange­pflanzten Festungen.

Diese Aufsicht war besonders schwierig, da die Schonung 27 km Länge und 10 bis 12 km Breite ohne zusam­men­hän­gende Flächen an den Rändern des großen Wieting­s­moores verstreut lagen. Diese Aufsicht wurde sehr streng gehand­habt, der Herr Forstrat Deckert war nicht der Mann, der die unter schwerer Mühe und Arbeit mit Kosten verbun­denen Anlagen durch das unbefugte Weiden der Schafe ruinieren lassen wollte.

So kam es oft vor, dass die in Schonung liegenden Flächen bis nach Ridderade bei Twist­ringen kontrol­liert wurden. Morgens wurde um vier Uhr aufge­standen und man war froh, wenn man abends zwischen 10 und 11 Uhr wieder zu Hause angelangt war. Dabei hatte man keinen gangbaren Weg, sondern man ging in knie­langer Heide oder in dem sumpfigen Moore, in dem man bald bei jedem Schritt bis zur Wade einsank.

Moorbild 4 - (c) Djalu A. P. - unsplash.com
Moorbild 4 – © Djalu A. P. – unsplash.com

Durch die Aufsicht über das unbefugte Weiden in den Scho­nungen und den Auffors­tungen zog ich mir die Feind­schaft der Schaf­halter zu. Bei der Größe der Fläche war es wirklich nicht leicht, die Übeltäter zu fassen, zumal die Besitzer, deren Eigentum am Moore lag, vom Boden­fenster aus ihre Schäfer schützten auf ihren verbo­tenen Wegen. Sah solch ein Eigen­tümer von seiner hohen Warte aus mich seiner Herde nähern, so steckte er zur Warnung für seinen Schäfer eine Stange mit einem Lappen aus dem Fenster.

Der Schäfer, das Warn­si­gnal sehend, trieb seine Herde so schnell wie möglich fort, und ich musste oft 4 bis 5 km nach­laufen, bis ich den Schäfer stellen konnte. Manchmal musste ich auch einige 100 m im Graben entlang kriechen, um die Herde ungesehen zu erreichen. Die Übeltäter wurden im ersten Fall mit 25 bis 30 Mark bestraft, im Wieder­ho­lungs­falle und je nach dem ange­rich­teten Schaden bis 80 Mark. Da hatte ich, da in manchen Gemeinden noch viele Schafe gehalten wurden, mehr Feinde als Freunde.

Moorbild 3 - (c) C. Andrew Coates - unsplash.com

Zur Aufsicht des Wieting­s­moores kam auch noch die Aufsicht des großen Uchter Moores, wo ich zehn Jahre lang die Dämp­fungs­ar­beiten der Mullwehen ausge­führt habe. Dieses Moor lag zehn km von meinem Wohnort Ströhen entfernt. Da ich in den ersten zehn Jahren noch kein Fahrrad besaß, wurde der zehn km lange Weg zu Fuß gemacht. Um morgens recht­zeitig vor den Arbeitern zur Stelle zu sein, wurde um fünf Uhr fort­ge­gangen und tagsüber tüchtig gear­beitet, abends neun Uhr war ich zu Hause. Die Arbeiten bestanden dort in der Anlegung von Gräben, Birken pflanzen, Heide­de­ckung und Wollgraspflanzungen.

Entste­hung von Freistatt und Uchtmanns Arbeit dort

(Diese Kapi­tel­über­schrift stammt von Herrn von Lepel)
Es war im Herbst 1898, als Herr Pastor von Bodel­schwingh in Bethel bei Bielefeld ein Gelände zur Anlegung einer neuen Arbei­ter­ko­lonie suchte, da die Arbei­ter­ko­lonie Wilhelms­dorf in der Senne die Arbeits­su­chenden (und vor allem die Fürsor­ge­zög­linge) nicht mehr alle unter­bringen konnte. So wurde nun der bereits in Pension gegangene Herr Forstrat Deckert, ein guter Freund des Herrn Pastor von Bodel­schwingh, beauf­tragt, ein solches Gelände auszukundschaften.

Es lag im Plan des Herrn Pastor von Bodel­schwingh, wenn irgend möglich, diese neue Arbei­ter­ko­lonie in der Provinz Westfalen anzulegen. Um nun ein passendes Gelände auszu­su­chen, gingen Herr Rolhfs, Strange und meine Wenigkeit nach dem mir bekannten, zwischen Wagenfeld (Kreis Diepholz) und Oppenwehe (Kreis Lübbecke) gelegenen Stemmer Moor. Es wird von der Grenze der beiden Provinzen Hannover und Westfalen durch­schnitten. Doch ergab die Besich­ti­gung, dass sich das Moor zu einer Anlage eines land­wirt­schaft­li­chen Betriebes nicht eignete, weil durch den frühen Torfstich viele tiefe Löcher entstanden waren und außerdem das Gelände sehr uneben war.
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• Ende Teil 2 • (… der Erin­ne­rungen des August Uchtmann über die Kulti­vie­rung des Frei­stätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.)


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