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Frei­stätter Weih­nachts­ka­lender 2019
Uchtmanns Moor­be­richt – Teil 12

Erin­ne­rungen des August Uchtmann über die Kulti­vie­rung des Frei­stätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.

      

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Letzte Kriegs­jahre

Im Mai 1916 kamen dann 100 russische Gefangene zu Hilfe. Die Russen sind bekannt­lich ein bisschen faul und träge und dieses habe ich dann auch gesehen und erfahren dürfen. Hielt man dieselben zur Arbeit an, hieß es immer, Arbeit nix, Arbeit nix Panje. Aber an Essen konnte niemals genug kommen, trotzdem für fünf Mann ein Esskessel kam, wo früher zehn Kolo­nisten satt daran hatten.

Es lag auch viel an den Aufsichts­posten, die meisten aus der Stadt, von Arbeiten keine blasse Ahnung, legten sich im Torf oder auf den Acker hin und schliefen, wie man so sagt, den Schlaf der Gerechten. Sehr oft habe ich die Gefan­genen, wenn wir morgens im Torf arbei­teten und zum Heuen gehen mussten, genommen und bin mit denselben, ohne die Posten zu wecken, davongegangen.

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unsplash.com – © Rachel C. – medi­ta­ting­d­ragon – Moorbild 11

Ich hatte diebische Freude, als ich eines Vormit­tags vom Torf ins Heu gegangen war, die Posten vom Schlaf erwachend, die Gefan­genen in den Torf­rin­geln suchten. Es wurde erst dann besser, als die Posten zum Teil von hier und aus der näheren Umgebung die Aufsicht führten. Ein Jahr später wurde ein Teil der Russen abgelöst und durch 34 Engländer ersetzt. In der ersten Zeit waren die Engländer frech und rabiat, gingen doch dieselben eines Tages, als Heu geladen wurde, ohne weiteres fort und ließen die Loren, welche zum Teil voll, andere halb geladen, ohne weiteres stehen.

Als dieselben dann einen kleinen Denk­zettel in der Gestalt der Moorburg bei Wasser und Brot kennen gelernt hatten, wurde es besser mit der Frechheit und Arbeit. Dieselben haben in den zwei Jahren viel geleistet und geschaffen und ich habe mit denselben bis zum Kriegs­ende gerne gearbeitet.

Der Lanz-Land­bau­motor

Als es im Laufe der Kriegs­jahre an Gespannen mangelte, wurde im Jahre 1916 zur Bear­bei­tung der Acker­felder und Heukul­turen ein Land­bau­motor ange­schafft. Um die Bedienung dieser Maschine besser zu lernen, war ich im März 1916 vierzehn Tage lang bei der Firma Lanz in Mannheim. Nach langen Warten gelangte derselbe endlich Mitte September zur Lieferung. Meine Aufsicht gestal­tete sich dadurch nicht leichter, musste ich doch auch dazu den Motor instand halten.

Sehr oft habe ich den Motor auf dem Acker stehen lassen, um erst die Arbeit wieder zu regeln und zu verteilen, bis dann nach einem Jahr mein Sohn Ernst mich ablöste. Nach kaum einem Jahre, als derselbe mit der Bedienung und Führung vertraut war, wurde er kurz vor Anfang des Krieges einge­zogen und ist auf dem Feld fürs Vaterland geblieben (vermisst), und ich musste dann wieder selbst fahren, bis dann mein Sohn Fritz nach Been­di­gung des Krieges den Motor sieben Jahre gefahren hat, um denselben Posten an meinen Sohn Karl wieder abzutreten.

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Ein langes Arbeits­leben im Moor

Was nun meine Tätigkeit in den letzten Jahren anbelangt, möchte ich dieselbe kurz schildern in der Voraus­set­zung, dass ich damit nicht die Absicht habe, mich dadurch in gutes Licht zu setzen. In den ersten beiden Jahren war mir die Ausfüh­rung der Entwäs­se­rung, das Torf­ste­chen, Verar­bei­tung desselben und Abfuhr, sowie auch die Instand­hal­tung der Wege über­tragen worden.

Hierzu kam dann die Anlegung und Kulti­vie­rung der Acker und Wiesen im Moor, die Ausfüh­rung der Erdar­beiten und das Heran­schaffen des Materials zu den Bauten von Schaf­stall, Deckertau und Heimstatt, sowie Kulti­vie­rungs­ar­beiten vom Acker in Heimstatt. Da die Moor­ar­beiten nun besondere Schulung erfor­derten, welche auf anderen Böden üblich ist, habe ich manchen Kampf mit meinen Mitar­bei­tern ausfechten müssen. Waren doch alle nach bestem Können angelernt, und mit Rat und Tat zur Seite gestanden.

Und so durfte ich 20 Jahre lang bei der Herstel­lung des Torfes, der Verar­bei­tung der Acker-und Wiesen­flä­chen mitar­beiten, als sich dann das Alter bemerkbar machte, übergab ich die Torf­ar­beiten meinem Nachfolger.

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Ernte­er­folge und Mißerfolge

Nun möchte ich noch einiges ganz kurz über unsere Ernten mitteilen. Nach sehr guten Erfolgen in den ersten Jahren stellten sich in den späteren auch Miss­erfolge ein, hervor­ge­rufen durch Frost­schaden und Tipul­a­fraß. Abgesehen von kleineren Frost­schäden und Tipul­a­fraß ist bis zum Jahre 1914 kein wesent­li­cher Schaden an den Saaten entstanden.

So hatten wir in der Zeit vom Jahre 1915–1926 drei Jahre, hervor­ge­rufen durch die späten Nacht­fröste im Mai und Juni, in einem Jahr sogar noch Anfang Juli ein Drittel der ganzen Kartof­fel­flä­chen verloren. Auch der Roggen hat in dieser Zeit zweimal, da derselbe gerade in der Blüte stand, durch den Frost sehr gelitten, so dass der Ertrag ein ganz minimaler war.

Im Jahre 1923 ist eine Fläche Hafer von 80 Morgen derart abge­froren, dass derselbe umge­pflügt werden musste. Dann hatten wir in den Jahren 1920 und 1925 durch den Fraß der Tipula-Larven sehr zu leiden. Im ersten Fall gingen 80 Morgen Hafer größ­ten­teils dadurch verloren. Dann sind im Jahre 1925 etwa 100 Morgen Roggen und 70 Morgen Hafer meist total vernichtet worden, und so musste diese Fläche noch einmal bestell werden. Ja, sogar ein Roggen­schlag von 22 Morgen, welcher durch den Larven­fraß total vernichtet war, wurde im Frühjahr mit Hafer bestellt, nach dem Aufgehen desselben nochmals abge­fressen und musste nun zum dritten Mal nachgesät werden.

Ein Rückblick

Ich komme nun zum Schluss meines Berichtes, und es ist merk­würdig, dass ich gerade am heutigen Tage (9. März), an dem ich diese Zeilen schreibe, auf eine 27 jährige Tätigkeit in den Bodel­schwingh­schen Anstalten zurück­schauen kann. Da ist es wohl ganz mensch­lich zu verstehen, dass die Vergan­gen­heit mir heute wieder greifbar vor die Augen tritt.

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Ich sehe sie alle wieder im Geiste vor mir, die Brüder von Freistatt, Moorhort und Moorburg, welche kürzere und längere Zeit im Moor waren, die vielen Zöglinge und die endlose Reihe der Kolo­nisten, die ich bei unserer Arbeit hatte. Mit allen durfte ich arbeiten und hatte die große Freude, sie anlernen zu dürfen. Auch dass etliche mich noch nicht vergessen haben, zeigen mir heute noch die Briefe voll Dankes an mich.

Von den alten Mitar­bei­tern, die getreu­lich mit mir Kälte und Hitze, Erfolg und Miss­erfolg im Kampfe mit dem Moor geteilt haben, sind keine mehr hier. Sie haben sich andere Beschäf­ti­gungen gesucht oder sind zu ihren früheren Berufen zurückgekehrt.

Und wo ist die Zeit geblieben, diese 27 Jahre? Ja, was ich einst als Schul­junge gedan­kenlos gelernt habe: „Die Jahre fliegen pfeil­ge­schwind!“ hat sich auch an mir bewahrheitet.

      

• Ende Teil 12 • (… der Erin­ne­rungen des August Uchtmann über die Kulti­vie­rung des Frei­stätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.)


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