Erinnerungen des August Uchtmann über die Kultivierung des Freistätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.
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Letzte Kriegsjahre
Im Mai 1916 kamen dann 100 russische Gefangene zu Hilfe. Die Russen sind bekanntlich ein bisschen faul und träge und dieses habe ich dann auch gesehen und erfahren dürfen. Hielt man dieselben zur Arbeit an, hieß es immer, Arbeit nix, Arbeit nix Panje. Aber an Essen konnte niemals genug kommen, trotzdem für fünf Mann ein Esskessel kam, wo früher zehn Kolonisten satt daran hatten.
Es lag auch viel an den Aufsichtsposten, die meisten aus der Stadt, von Arbeiten keine blasse Ahnung, legten sich im Torf oder auf den Acker hin und schliefen, wie man so sagt, den Schlaf der Gerechten. Sehr oft habe ich die Gefangenen, wenn wir morgens im Torf arbeiteten und zum Heuen gehen mussten, genommen und bin mit denselben, ohne die Posten zu wecken, davongegangen.
Ich hatte diebische Freude, als ich eines Vormittags vom Torf ins Heu gegangen war, die Posten vom Schlaf erwachend, die Gefangenen in den Torfringeln suchten. Es wurde erst dann besser, als die Posten zum Teil von hier und aus der näheren Umgebung die Aufsicht führten. Ein Jahr später wurde ein Teil der Russen abgelöst und durch 34 Engländer ersetzt. In der ersten Zeit waren die Engländer frech und rabiat, gingen doch dieselben eines Tages, als Heu geladen wurde, ohne weiteres fort und ließen die Loren, welche zum Teil voll, andere halb geladen, ohne weiteres stehen.
Als dieselben dann einen kleinen Denkzettel in der Gestalt der Moorburg bei Wasser und Brot kennen gelernt hatten, wurde es besser mit der Frechheit und Arbeit. Dieselben haben in den zwei Jahren viel geleistet und geschaffen und ich habe mit denselben bis zum Kriegsende gerne gearbeitet.
Der Lanz-Landbaumotor
Als es im Laufe der Kriegsjahre an Gespannen mangelte, wurde im Jahre 1916 zur Bearbeitung der Ackerfelder und Heukulturen ein Landbaumotor angeschafft. Um die Bedienung dieser Maschine besser zu lernen, war ich im März 1916 vierzehn Tage lang bei der Firma Lanz in Mannheim. Nach langen Warten gelangte derselbe endlich Mitte September zur Lieferung. Meine Aufsicht gestaltete sich dadurch nicht leichter, musste ich doch auch dazu den Motor instand halten.
Sehr oft habe ich den Motor auf dem Acker stehen lassen, um erst die Arbeit wieder zu regeln und zu verteilen, bis dann nach einem Jahr mein Sohn Ernst mich ablöste. Nach kaum einem Jahre, als derselbe mit der Bedienung und Führung vertraut war, wurde er kurz vor Anfang des Krieges eingezogen und ist auf dem Feld fürs Vaterland geblieben (vermisst), und ich musste dann wieder selbst fahren, bis dann mein Sohn Fritz nach Beendigung des Krieges den Motor sieben Jahre gefahren hat, um denselben Posten an meinen Sohn Karl wieder abzutreten.
Ein langes Arbeitsleben im Moor
Was nun meine Tätigkeit in den letzten Jahren anbelangt, möchte ich dieselbe kurz schildern in der Voraussetzung, dass ich damit nicht die Absicht habe, mich dadurch in gutes Licht zu setzen. In den ersten beiden Jahren war mir die Ausführung der Entwässerung, das Torfstechen, Verarbeitung desselben und Abfuhr, sowie auch die Instandhaltung der Wege übertragen worden.
Hierzu kam dann die Anlegung und Kultivierung der Acker und Wiesen im Moor, die Ausführung der Erdarbeiten und das Heranschaffen des Materials zu den Bauten von Schafstall, Deckertau und Heimstatt, sowie Kultivierungsarbeiten vom Acker in Heimstatt. Da die Moorarbeiten nun besondere Schulung erforderten, welche auf anderen Böden üblich ist, habe ich manchen Kampf mit meinen Mitarbeitern ausfechten müssen. Waren doch alle nach bestem Können angelernt, und mit Rat und Tat zur Seite gestanden.
Und so durfte ich 20 Jahre lang bei der Herstellung des Torfes, der Verarbeitung der Acker-und Wiesenflächen mitarbeiten, als sich dann das Alter bemerkbar machte, übergab ich die Torfarbeiten meinem Nachfolger.
Ernteerfolge und Mißerfolge
Nun möchte ich noch einiges ganz kurz über unsere Ernten mitteilen. Nach sehr guten Erfolgen in den ersten Jahren stellten sich in den späteren auch Misserfolge ein, hervorgerufen durch Frostschaden und Tipulafraß. Abgesehen von kleineren Frostschäden und Tipulafraß ist bis zum Jahre 1914 kein wesentlicher Schaden an den Saaten entstanden.
So hatten wir in der Zeit vom Jahre 1915–1926 drei Jahre, hervorgerufen durch die späten Nachtfröste im Mai und Juni, in einem Jahr sogar noch Anfang Juli ein Drittel der ganzen Kartoffelflächen verloren. Auch der Roggen hat in dieser Zeit zweimal, da derselbe gerade in der Blüte stand, durch den Frost sehr gelitten, so dass der Ertrag ein ganz minimaler war.
Im Jahre 1923 ist eine Fläche Hafer von 80 Morgen derart abgefroren, dass derselbe umgepflügt werden musste. Dann hatten wir in den Jahren 1920 und 1925 durch den Fraß der Tipula-Larven sehr zu leiden. Im ersten Fall gingen 80 Morgen Hafer größtenteils dadurch verloren. Dann sind im Jahre 1925 etwa 100 Morgen Roggen und 70 Morgen Hafer meist total vernichtet worden, und so musste diese Fläche noch einmal bestell werden. Ja, sogar ein Roggenschlag von 22 Morgen, welcher durch den Larvenfraß total vernichtet war, wurde im Frühjahr mit Hafer bestellt, nach dem Aufgehen desselben nochmals abgefressen und musste nun zum dritten Mal nachgesät werden.
Ein Rückblick
Ich komme nun zum Schluss meines Berichtes, und es ist merkwürdig, dass ich gerade am heutigen Tage (9. März), an dem ich diese Zeilen schreibe, auf eine 27 jährige Tätigkeit in den Bodelschwinghschen Anstalten zurückschauen kann. Da ist es wohl ganz menschlich zu verstehen, dass die Vergangenheit mir heute wieder greifbar vor die Augen tritt.
Ich sehe sie alle wieder im Geiste vor mir, die Brüder von Freistatt, Moorhort und Moorburg, welche kürzere und längere Zeit im Moor waren, die vielen Zöglinge und die endlose Reihe der Kolonisten, die ich bei unserer Arbeit hatte. Mit allen durfte ich arbeiten und hatte die große Freude, sie anlernen zu dürfen. Auch dass etliche mich noch nicht vergessen haben, zeigen mir heute noch die Briefe voll Dankes an mich.
Von den alten Mitarbeitern, die getreulich mit mir Kälte und Hitze, Erfolg und Misserfolg im Kampfe mit dem Moor geteilt haben, sind keine mehr hier. Sie haben sich andere Beschäftigungen gesucht oder sind zu ihren früheren Berufen zurückgekehrt.
Und wo ist die Zeit geblieben, diese 27 Jahre? Ja, was ich einst als Schuljunge gedankenlos gelernt habe: „Die Jahre fliegen pfeilgeschwind!“ hat sich auch an mir bewahrheitet.
• Ende Teil 12 • (… der Erinnerungen des August Uchtmann über die Kultivierung des Freistätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.)