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Frei­stätter Weih­nachts­ka­lender 2019
Uchtmanns Moor­be­richt – Teil 1

Erin­ne­rungen des August Uchtmann über die Kulti­vie­rung des Frei­stätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.

      

Einlei­tung

Als im vergan­genen Jahr Herr Pastor Janßen an mich herantrat mit der Bitte, einen Überblick über die Kulti­vie­rung des Moores und meine damit verbun­dene Tätigkeit schrift­lich darzu­legen, wurde es mir klar, wie fest ich mit den Mooren verwachsen bin.

Als Kind, am Rande desselben geboren, erhielt mein Leben durch die Tätigkeit in dieser Einöde, denn mein ganzes Leben bis zum heutigen Tage spielte sich im Moor ab. Es war ein Kampf um die Urbar­ma­chung des Bodens, der auch trotz der Miss­erfolge doch mit einem Sieg endete. Von diesem Kampf sollen nun die nach­fol­genden Zeilen erzählen.

Freistatt im März 1926

Ich wurde am 28. September 1968 als Sohn des Armen­vogts und Gemein­de­die­ners Karl Uchtmann in Ströhen, Kreis Sulingen geboren. In den Schul­fe­rien musste ich meinen Eltern in der Land­wirt­schaft helfen, vor Schul­be­ginn erst noch die Kühe hüten, auch dreschen helfen oder sonstige Arbeiten verrichten. Nach Entlas­sung aus der Schule erhielt ich noch ein halbes Jahr rech­ne­ri­schen und schrift­li­chen Unterricht.

Moorbild 2 - (c) Elvis Bekmanis - unsplash.com

Im Alter von 16 Jahren kam ich im Jahre 1884 zum Wald­wärter Rohlfs in Strange, um die Land­wirt­schaft zu erlernen. Es war dies zu der Zeit, wo der Kunst­dünger einge­führt wurde, wenigs­tens in hiesiger Gegend. Viele Bauern standen damals dem Dünger miss­trau­isch gegenüber. Die Regierung in Hannover suchte zu der Zeit Besitzer, die sich bereit erklärten, auf Wiesen Versuche mit Kunst­dünger zu machen. Die Versuche wurden in den ersten Jahren größ­ten­teils auf dem Besitztum des Herrn Rohlfs ausgeführt.

Neuerung Kunst­dünger

Dann fanden sich auch noch einige andere Besitzer zu diesen Proben bereit. Es wurden zuerst kleine Versuche auf Staats­kosten unter­nommen, um den Leuten zu zeigen, dass auch auf braunem Moor etwas wachsen könnte. Zuerst herrschte unter der Bauern­schaft großes Erstaunen, wie die jungen Gräser in dem braunen Torf empor­schossen. Das hatten die am Moor liegenden Ortschaften und Besitzer nämlich nie gedacht, dass dort außer Heide noch Gras wachsen könnte.

Doch dann kam wieder das Miss­trauen des Bauern gegen jede Neuerung in der Land­wirt­schaft zum Vorschein. „Ja, sagten sie, das ist alles schön und gut, wie jetzt nach dem Kunst­dünger die Gräser hervor­kommen, aber wir wollen doch noch lieber einige Jahre mit dem Kunst­dünger warten, denn es könnte ja sein, dass der künst­liche Dünger wohl erst frucht­brin­gend wirkt, dann aber jegliche Kraft dem Erdboden entzieht, so dass nachher nicht einmal mehr Heide­kraut wächst. Also warten wir lieber ab.“

Moorbild 1 - (c) Jevgenij Voronov - unsplash.com
Moorbild 1 – © Jevgenij Voronov – unsplash.com

Aber die Regierung ließ nicht locker, denn man ging nun zur Acker­kultur auf Hochmoore über. Und siehe, es gab gute Erfolge. Nun gingen den Bauern endlich die Augen auf, sie fingen an sich für die Sache zu begeis­tern, und es meldeten sich zu den Versuchen mit Kunst­dünger immer mehr Besitzer, so dass die meisten moor­lie­genden Ortschaften soweit wie möglich mit solchen Versuchen betraut wurden. Den Kunst­dünger gab der Staat anfangs kostenlos, die Kulti­vier­ver­suche mussten die Antrag­steller machen, aber die Ernten mussten gewogen werden, das war die vom Staate gestellte Bedingung.

Da ich nun in diesen Jahren mit der Verwen­dung des Kunst­dünger vertraut war, übernahm ich im Jahre 1890 auf Veran­las­sung des Herrn Rohlfs in Strange die Kulti­vie­rungs­ar­beiten von Ödlän­de­reien und die Aufsicht über die großen Sand-und Mull­weh­flä­chen im Wietings- und Uchter Moor. Die Leitung der Sand-und Mull­weh­flä­chen unter­stand Herrn Forstrat Deckert, die Kultur­ar­beiten und Dünge­ver­suche auf Wiesen sowie Getrei­de­anbau Herrn Regie­rungsrat Brügmann. Beide Herren hatten ihren Wohnsitz in Hannover.

Ehemalige Mull­weh­flä­chen

Da es in der heutigen Zeit im Wieting­s­moor keine Sand- und Mull­weh­flä­chen mehr gibt, möchte ich die Entste­hung desselben ganz kurz erklären. Diese Sand- und Mull­weh­flä­chen waren durch das Abhauen der Heide und durch Weiden der Schafe entstanden.

Moorbild 1 - (c) Jevgenij Voronov - unsplash.com

(An dieser Stelle macht Herr von Lepel folgende Ergänzung hand­schrift­lich in den Ucht­mann­be­richt hinein. „Vor allem aber durch das soge­nannte Hoch­frieren der kahlen anmoo­rigen Rand­moor­flä­chen (flaches Moor mit Sand abwech­selnd) im Winter. Im Sommer trocknen diese Flächen aus, wurden von den Heid­schnu­cken noch lockerer getreten. Etwa von Juni ab fasste dann der über das weite Moor ohne jede Hinderung strei­fende Weststurm diese losen Massen aus Sand und verkohltem Moortorf bestehend, und trieb sie kilo­me­ter­weit vor sich her, so dass Brunnen und Höfe verschüttet wurden.)

Diese Flächen, erst wohl klein, nahmen bei stärkeren Winden eine immer größere Ausdeh­nung an, wodurch die lose, trockene Moor-oder Sand­schicht in Bewegung gebracht und kilo­me­ter­weit getragen wurde, bedeckte die noch grüne Heide und brachte dieselbe zum Absterben. Es gab Flächen ohne jede Vege­ta­tion, nur das braune Moor, oder der helle Sand von 800 bis 1.000 Morgen groß.

Moorbild 2 - (c) Elvis Bekmanis - unsplash.com
Moorbild 2 – © Elvis Bekmanis – unsplash.com

Wurde nun eine solche Fläche durch Sturm in Bewegung gebracht, verfins­terte sich der Himmel von dem Staube, flog weit über die anlie­genden Gehöfte, drang durch die Ritzen der Türen und der Fens­ter­läden, so dass Tische und Stühle mit einer dicken Schicht von Mull bedeckt waren. Es kam soweit, dass die nahe am Moor liegenden Gehöfte in Gefahr kamen, ganz zu verwehen. Dieses ist tatsäch­lich bei einem Gehöft mit Windmühle in Dörrieloh geschehen. Der Besitzer hat sein Haus und seine Mühle abbrechen müssen und sich neu angesiedelt. 

Als ich im Jahre 1891 dieses Grund­stück auffors­tete und mit Kiefern bepflanzte, meinte der frühere Besitzer, “Sie können mir die im Boden stecken­ge­blie­benen Brun­nen­ringe ausgraben.“ Er zeigte mir die Stelle, wo dieselben sitzen sollten. Und tatsäch­lich, in einem Meter Tiefe stieß man auf den obersten Ring. So hoch war Hof, Garten und Ackerland über­flogen mit Sand. Die Stelle ist heute noch zu zeigen.
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• Ende Teil 1 • (… der Erin­ne­rungen des August Uchtmann über die Kulti­vie­rung des Frei­stätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.)


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