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Frei­stätter Weih­nachts­ka­lender 2019
Uchtmanns Moor­be­richt – Teil 7

Erin­ne­rungen des August Uchtmann über die Kulti­vie­rung des Frei­stätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.

      

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Ausbau der Anstalten 

Im Jahre 1900 wurde auch mit dem Bau von Wohnungen für die Ange­stellten begonnen. Zuerst wurde das Haus für den Leiter des Torf­werkes, Herrn Seidel (lt. Zusatz von Herrn von Lepel; meine spätere Dienst­woh­nung) und ein Gebäude zur Unter­brin­gung für die Gespanne des Torfwerks – sechs Pferde – gebaut (jetzt Wohnungen für Moor­ar­beiter). Zu gleicher Zeit kamen auch noch zwei Wohnungen links der Land­straße, für den Vorar­beiter Traut­wetter und Diakon Duwe hinzu. Meine Wohnung, die im Sommer 1901 gebaut wurde, bezog ich mit meiner Familie am 22. Oktober desselben Jahres.

Moorbild 3 - (c) C. Andrew Coates - unsplash.com
Moorbild 3 – © C. Andrew Coates – unsplash.com

Beim Einzug wuchs noch die braune Heide rund ums Haus herum. Bei jeder Wohnung wurden etwa zwei Morgen Heideland kulti­viert und gedüngt. Da es an Arbeits­kräften und Gespannen fehlte, beschaffte ich mir ein Gespann aus Wehrbleck, um die mir zuge­wie­senen Heide­flä­chen umzu­pflügen, denn bei meinem Gehalt von 75 Mark im Monat und einer acht­köp­figen Familie musste ich sehen, sobald wie möglich die Heide zu kulti­vieren, um im kommenden Frühjahr wenigs­tens Kartof­feln und derglei­chen pflanzen zu können. Bei dieser Kulti­vie­rungs­ar­beit hat mir mein Schwager aus Wagenfeld tüchtig geholfen. Zum Beispiel hat derselbe den Garten ums Haus herum tief rigolt und gegraben.

So wurde dann im Laufe des Winters die 1 ha große Heide­fläche und Garten fertig­ge­stellt. Was die kirch­li­chen Ange­le­gen­heiten betrifft, möchte ich dieselben kurz schildern. Im ersten Jahre gingen die Kolo­nisten und Zöglinge nach Barver zur Kirche. Später hielt Herr Pastor Simon aus Barver in Freistatt Gottes­dienste ab. Zuerst im Spei­se­saal, als später Platz­mangel eintrat, auf der Scheu­nen­diele (jetzt Dorfplatz unter dem Wasser­turm). Dort versam­melte sich Sonn­tags­nach­mittag die ganze Gemeinde. Im Herbst 1902 wurde dann mit dem Bau der Moor­kirche begonnen.

(Nachtrag von Herrn von Lepel: Freistatt gehörte, als Teil der poli­ti­schen Gemeinde Wehrbleck kirchlich nach Varrel. Der dortige Pastor Naten wurde gebeten, den Anstalts­in­sassen einige Bänke in seiner großen, wenig besetzten Kirche einzu­räumen. Aber in einer Versamm­lung der betref­fenden Kirchen­vor­stände sprach sich Pastor Naten dahin aus, dass man diesen verlaust und verkom­menden Menschen in seiner Kirche keinen Platz einräumen könne!

Moorbild 1 - (c) Jevgenij Voronov - unsplash.com

Dementspre­chend wurde beschlossen. Das Bibelwort von denen „hinter den Hecken und Zäunen“ – die zum Hoch­zeits­mahl einge­laden werden sollen nach dem Befehl des Herrn – scheint Pastor Naten unbekannt gewesen zu sein. Er hat sich auch in späteren Jahren wenig freund­lich zur christ­li­chen Anstalt gestellt. So bat die Anstalt Pastor Simon, Barver, um seine Dienste.

Dieser freund­liche und opfer­wil­lige Mann bewog seine Gemeinde sofort zur Aufnahme der Anstalts­leute in seine Sonn­tags­kirche. Nachdem dann die Moor­kirche gebaut war, wurde Freistatt so Filiale von Barver und Pastor Simon, der dann etwa 10 Jahre in Freistatt amtiert hat, bis Freistatt einen Anstalts­geist­li­chen erhielt.

Der neue land­wirt­schaft­liche Leiter

Die Anlegung der Acker-und Wiesen­felder Im Herbst wurde Herr Baron von Lepel von Vater von Bodel­schwingh als „Land­wirt­schaft­li­cher Leiter“ an die hiesigen Anstalten berufen. Wenn solches auch von verschie­denen Seiten nicht gern gesehen worden ist, hatte Vater von Bodel­schwingh doch mit klarem Blick erkannt, dass durch eine solche Leitung die geplanten Arbeiten sich viel einheit­li­cher und schneller ausführen lassen würden. So wurde dann Herr von Lepel mein Vorge­setzter und ich durfte 12 Jahre mit ihm zusam­men­ar­beiten. An diese Zeit denke ich heute noch oft mit Freuden zurück.

Herr von Lepel verlangte in der Arbeit sehr viel und war streng im Dienst, aber er war dagegen wieder gerecht und liebevoll seinen Mitmen­schen gegenüber. Als nun im Winter 1902 und 1903 die Kulti­vie­rung des Hoch­moores zu Acker und Wiesen beginnen sollte, trat die Frage auf, wie nun die Anlegung der Felder ausge­führt werden sollte. Es war nicht so einfach, wie es sich mancher denkt der heut­zu­tage die schönen Acker- und Wiesen­flä­chen ansieht. Was für Mühe und Arbeit ist doch daran verwendet worden. Viele Abende, bis tief in die Nacht hat Herr von Lepel mit mir zusammen die Sache bespro­chen und überlegt.

Es ist öfter vorge­kommen, dass ich abends 10 Uhr, als ich schon zu Bett war, durch das Telefon zu ihm gerufen wurde, um noch einmal die Sache mit ihm zu bespre­chen. Diese Bespre­chungen zogen sich dann oft bis Mitter­nachts­stunde, ja auch noch darüber hinaus hin. Wenn wir uns in manchen Fällen nicht klar geworden sind, konnte ich sicher damit rechnen, dass Herr von Lepel am anderen Morgen um 5 Uhr, ehe ich zu meiner Arbeit ging, in meine Wohnung kam und mit mir, während ich Kaffee trank, die Sache noch einmal durchsprach.

Moorbild 3 - (c) C. Andrew Coates - unsplash.com

Kulti­vie­rung des Hochmoores

So konnte dann nach langen Bera­tungen und Über­le­gungen mit dem Entwäs­sern und Anlegen der Acker­flä­chen begonnen werden. Erst wurden die 2 km langen Entwäs­se­rungs­gräben (sog. Sammel­gräben) in 200 m Entfer­nung ausge­hoben und zur besseren Entwäs­se­rung des Ackers alle 14 m kleine Grüggen von 0,60 m Breite und 0,70 m Tiefe angelegt. Dann wurde die untere Moor­ober­fläche, haupt­säch­lich die Heide,- Wollgras- und Moos­blüten mit der Hacke umgehauen und planiert, Kalk-und Kunst­dünger gegeben, nochmals gehackt, geeggt und gewalzt.

Darauf wurde im ersten Jahre Hafer und Serra­della gesät. So sind dann im Frühjahr 1903 ca. 10 Morgen, draußen im weiten Moor hinter den Torf­lo­nisten fertig geworden. Diese Arbeiten sind im ersten Jahre alle mit Kolo­nisten ausge­führt worden, denn Pferde fehlten damals noch und auch die Pfer­de­holz­schuhe waren nicht so leicht zu beschaffen.

Moorbild 1 - (c) Jevgenij Voronov - unsplash.com
Moorbild 1 – © Jevgenij Voronov – unsplash.com

(Ergänzung von Herrn von Lepel: Hier irrt Uchtmann. Wir haben gleich im ersten Jahr auf dem hohen Moor draußen mit Pferden auf Holz­schuhen und mit der Schei­ben­egge gearbeitet. )

So ging es in den folgenden Jahren Schritt für Schritt weiter mit dem Kulti­vieren des Hoch­moores. Im Winter 1903 und Frühjahr 1904 sind 36 Morgen neu kulti­viert, in gleicher Weise wie hier vorher angegeben worden ist. Nur mit dem Unter­schied, dass nach dem ersten Hacken und Planieren und Ausstreuen des Kunst­dün­gers die kulti­vierten Flächen durch Gespanne mit Flügel-und Schei­ben­eggen bear­beitet, damit die größeren Stücke noch zerrissen und zerklei­nert wurden, um ein feineres Saatbeet herzustellen. 

Das Bahngleis lag in der Zeit bis an den zweit­letzten Torf­durch­stich, etwa 600 m von den Kultur­flä­chen und so musste der Kalk-und Kunst­dünger im ersten Jahre mittels Karren, im zweiten Jahre auf Wagen zu den Acker­flä­chen gebracht werden. Die Wege waren wohl durch die Seiten­gräben entwäs­sert, aber die durch die Graben­aus­wurf erhöhte Wege noch lose und locker und nicht über­sandet, so dass Pferde und Wagen oft versanken.
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• Ende Teil 7 • (… der Erin­ne­rungen des August Uchtmann über die Kulti­vie­rung des Frei­stätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.)


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