Erinnerungen des August Uchtmann über die Kultivierung des Freistätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.
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Ausbau der Anstalten
Im Jahre 1900 wurde auch mit dem Bau von Wohnungen für die Angestellten begonnen. Zuerst wurde das Haus für den Leiter des Torfwerkes, Herrn Seidel (lt. Zusatz von Herrn von Lepel; meine spätere Dienstwohnung) und ein Gebäude zur Unterbringung für die Gespanne des Torfwerks – sechs Pferde – gebaut (jetzt Wohnungen für Moorarbeiter). Zu gleicher Zeit kamen auch noch zwei Wohnungen links der Landstraße, für den Vorarbeiter Trautwetter und Diakon Duwe hinzu. Meine Wohnung, die im Sommer 1901 gebaut wurde, bezog ich mit meiner Familie am 22. Oktober desselben Jahres.
Beim Einzug wuchs noch die braune Heide rund ums Haus herum. Bei jeder Wohnung wurden etwa zwei Morgen Heideland kultiviert und gedüngt. Da es an Arbeitskräften und Gespannen fehlte, beschaffte ich mir ein Gespann aus Wehrbleck, um die mir zugewiesenen Heideflächen umzupflügen, denn bei meinem Gehalt von 75 Mark im Monat und einer achtköpfigen Familie musste ich sehen, sobald wie möglich die Heide zu kultivieren, um im kommenden Frühjahr wenigstens Kartoffeln und dergleichen pflanzen zu können. Bei dieser Kultivierungsarbeit hat mir mein Schwager aus Wagenfeld tüchtig geholfen. Zum Beispiel hat derselbe den Garten ums Haus herum tief rigolt und gegraben.
So wurde dann im Laufe des Winters die 1 ha große Heidefläche und Garten fertiggestellt. Was die kirchlichen Angelegenheiten betrifft, möchte ich dieselben kurz schildern. Im ersten Jahre gingen die Kolonisten und Zöglinge nach Barver zur Kirche. Später hielt Herr Pastor Simon aus Barver in Freistatt Gottesdienste ab. Zuerst im Speisesaal, als später Platzmangel eintrat, auf der Scheunendiele (jetzt Dorfplatz unter dem Wasserturm). Dort versammelte sich Sonntagsnachmittag die ganze Gemeinde. Im Herbst 1902 wurde dann mit dem Bau der Moorkirche begonnen.
(Nachtrag von Herrn von Lepel: Freistatt gehörte, als Teil der politischen Gemeinde Wehrbleck kirchlich nach Varrel. Der dortige Pastor Naten wurde gebeten, den Anstaltsinsassen einige Bänke in seiner großen, wenig besetzten Kirche einzuräumen. Aber in einer Versammlung der betreffenden Kirchenvorstände sprach sich Pastor Naten dahin aus, dass man diesen verlaust und verkommenden Menschen in seiner Kirche keinen Platz einräumen könne!
Dementsprechend wurde beschlossen. Das Bibelwort von denen „hinter den Hecken und Zäunen“ – die zum Hochzeitsmahl eingeladen werden sollen nach dem Befehl des Herrn – scheint Pastor Naten unbekannt gewesen zu sein. Er hat sich auch in späteren Jahren wenig freundlich zur christlichen Anstalt gestellt. So bat die Anstalt Pastor Simon, Barver, um seine Dienste.
Dieser freundliche und opferwillige Mann bewog seine Gemeinde sofort zur Aufnahme der Anstaltsleute in seine Sonntagskirche. Nachdem dann die Moorkirche gebaut war, wurde Freistatt so Filiale von Barver und Pastor Simon, der dann etwa 10 Jahre in Freistatt amtiert hat, bis Freistatt einen Anstaltsgeistlichen erhielt.
Der neue landwirtschaftliche Leiter
Die Anlegung der Acker-und Wiesenfelder Im Herbst wurde Herr Baron von Lepel von Vater von Bodelschwingh als „Landwirtschaftlicher Leiter“ an die hiesigen Anstalten berufen. Wenn solches auch von verschiedenen Seiten nicht gern gesehen worden ist, hatte Vater von Bodelschwingh doch mit klarem Blick erkannt, dass durch eine solche Leitung die geplanten Arbeiten sich viel einheitlicher und schneller ausführen lassen würden. So wurde dann Herr von Lepel mein Vorgesetzter und ich durfte 12 Jahre mit ihm zusammenarbeiten. An diese Zeit denke ich heute noch oft mit Freuden zurück.
Herr von Lepel verlangte in der Arbeit sehr viel und war streng im Dienst, aber er war dagegen wieder gerecht und liebevoll seinen Mitmenschen gegenüber. Als nun im Winter 1902 und 1903 die Kultivierung des Hochmoores zu Acker und Wiesen beginnen sollte, trat die Frage auf, wie nun die Anlegung der Felder ausgeführt werden sollte. Es war nicht so einfach, wie es sich mancher denkt der heutzutage die schönen Acker- und Wiesenflächen ansieht. Was für Mühe und Arbeit ist doch daran verwendet worden. Viele Abende, bis tief in die Nacht hat Herr von Lepel mit mir zusammen die Sache besprochen und überlegt.
Es ist öfter vorgekommen, dass ich abends 10 Uhr, als ich schon zu Bett war, durch das Telefon zu ihm gerufen wurde, um noch einmal die Sache mit ihm zu besprechen. Diese Besprechungen zogen sich dann oft bis Mitternachtsstunde, ja auch noch darüber hinaus hin. Wenn wir uns in manchen Fällen nicht klar geworden sind, konnte ich sicher damit rechnen, dass Herr von Lepel am anderen Morgen um 5 Uhr, ehe ich zu meiner Arbeit ging, in meine Wohnung kam und mit mir, während ich Kaffee trank, die Sache noch einmal durchsprach.
Kultivierung des Hochmoores
So konnte dann nach langen Beratungen und Überlegungen mit dem Entwässern und Anlegen der Ackerflächen begonnen werden. Erst wurden die 2 km langen Entwässerungsgräben (sog. Sammelgräben) in 200 m Entfernung ausgehoben und zur besseren Entwässerung des Ackers alle 14 m kleine Grüggen von 0,60 m Breite und 0,70 m Tiefe angelegt. Dann wurde die untere Mooroberfläche, hauptsächlich die Heide,- Wollgras- und Moosblüten mit der Hacke umgehauen und planiert, Kalk-und Kunstdünger gegeben, nochmals gehackt, geeggt und gewalzt.
Darauf wurde im ersten Jahre Hafer und Serradella gesät. So sind dann im Frühjahr 1903 ca. 10 Morgen, draußen im weiten Moor hinter den Torflonisten fertig geworden. Diese Arbeiten sind im ersten Jahre alle mit Kolonisten ausgeführt worden, denn Pferde fehlten damals noch und auch die Pferdeholzschuhe waren nicht so leicht zu beschaffen.
(Ergänzung von Herrn von Lepel: Hier irrt Uchtmann. Wir haben gleich im ersten Jahr auf dem hohen Moor draußen mit Pferden auf Holzschuhen und mit der Scheibenegge gearbeitet. )
So ging es in den folgenden Jahren Schritt für Schritt weiter mit dem Kultivieren des Hochmoores. Im Winter 1903 und Frühjahr 1904 sind 36 Morgen neu kultiviert, in gleicher Weise wie hier vorher angegeben worden ist. Nur mit dem Unterschied, dass nach dem ersten Hacken und Planieren und Ausstreuen des Kunstdüngers die kultivierten Flächen durch Gespanne mit Flügel-und Scheibeneggen bearbeitet, damit die größeren Stücke noch zerrissen und zerkleinert wurden, um ein feineres Saatbeet herzustellen.
Das Bahngleis lag in der Zeit bis an den zweitletzten Torfdurchstich, etwa 600 m von den Kulturflächen und so musste der Kalk-und Kunstdünger im ersten Jahre mittels Karren, im zweiten Jahre auf Wagen zu den Ackerflächen gebracht werden. Die Wege waren wohl durch die Seitengräben entwässert, aber die durch die Grabenauswurf erhöhte Wege noch lose und locker und nicht übersandet, so dass Pferde und Wagen oft versanken.
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• Ende Teil 7 • (… der Erinnerungen des August Uchtmann über die Kultivierung des Freistätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.)