Erinnerungen des August Uchtmann über die Kultivierung des Freistätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.
• • •
Beginn des Torfstechens
Im März 1901 begannen wir mit dem Torfstechen. Zu diesen Arbeiten wurden, da es bei uns noch an Arbeitskräften mangelte, 86 russisch-polnische Arbeiter und 12 Frauen angenommen, die in den neugebauten Baracken des heutigen Neu-Freistatt ihr Heim fanden. Eine Küche war auch vorhanden, in der ein Herd mit ca. 50 Kochlöchern stand. Diese Kocheinrichtung bestand darin, dass an den Wänden entlang eine mit Ziegelsteinen ausgemauerte Feuereinrichtung hergestellt war, versehen mit je zwei oder vier Kochlöchern gelegt, so dass auf je einer Heizung mit zwei bzw. vier Töpfen gekocht werden konnte.
Des Abends nach getaner Arbeit entstand dann ein reges Leben in diesen Räumen. Da wurden Kartoffeln geschält, hier gebacken und gebraten und dort gekocht, denn auch für den kommenden Tag musste das Essen bereitet werden, da am Tag alles zur Arbeit ging.
Das Torfstechen gestaltete sich anfangs schwierig, die neu gezogenen Gräben konnten, wie ich schon erwähnte, nicht so tief ausgehoben werden, der Saugfähigkeit des Moores wegen und um dem Einstürzen der Gräben vorzubeugen. Da nun der helle sog. Moortorf tiefer saß als die Sohlen der Gräben waren, musste man beim tieferen Stechen bis auf den schwarzen Torf, das nicht abfließende Wasser in Eimern herausschöpfen, da ja ein Abfluss nicht vorhanden war.
Torfsoden in Zahlen
Ich muss heute noch bemerken, dass sich die polnischen Arbeiter hierzu ganz besonders eigneten, denn die meisten stachen noch bei dieser schwierigen Lage 7 bis 9.000 Soden pro Tag. Auch die Verarbeitung des Torfes ging am Anfang nicht besonders gut vonstatten. Der Moorboden, noch sehr nass, behinderte das Trocknen der Torfsoden sehr, so dass er oft 2 bis 3 Mal umringelt werden musste.
Zu dieser Arbeit verwandten wir oft die polnischen Frauen, die oft Erstaunliches leisteten. Beim ersten Ringeln, wobei der Torf oft noch nass und schwer war, ringelte eine Frau 20 bis 25.000, bei trockenen 30 bis 35.000 Soden an einem Tage. Beim zweiten Ringeln setzten wir die Ringhaufen 1,50 m hoch, um einen weiteren Abstand derselben und schnelleres Trocknen zu erzielen.
So sind im ersten Jahr ca. 10 Millionen Soden gestochen und verarbeitet worden. Da das Moor durch die wilden Wasserläufe, welche sich durch das abfließende Wasser die langen Jahre hindurch gebildet hatten und zum Teil davon sehr tief und breit waren, mussten die Flächen auf dem der Torf aufgesetzte werden sollte, erst planiert werden.
All diese Arbeiten sind nur im Akkord gearbeitet worden. Es erhielten die Torfstecher 1 bis 1,25 Mark für 1.000 Soden, für das Ringeln gab es 10 bis 15 Pfg. für 1.000 Soden, in große Mieten bringen 10 Pfg. für 1 cbm. Planierarbeiten bezahlten wir mit 1 Mark pro 100 qm. Um den Torf abfahren zu können, mussten wir als erstes die Wege übersanden. Zu diesem Zwecke wurden Gleise angekauft und auf die noch locker liegenden, durch den Grabenauswurf erhöhten Wege gelegt.
Wege- und Kanalbau
Kam nun ein solch vollgeladener Sandzug auf den lockeren Moorboden, so versanken Gleis und Bahn, ja es passierte oft, dass ganze Züge umkippten und die Wagen mit den gefüllten Sandkisten bis über die Hälfte im Moor versanken. So musste dann mühsam Zug um Zug neu Sand herbeigeschafft und gekippt werden, um doch wenigstens festen Untergrund zu bekommen.
Es gelang im 1. Sommer solch einen Sanddamm bis zum ersten Durchstich fertig zu stellen. Um den trockenen Torf aus den Torffeldern herbeizuschaffen, legten wir das Nebengeleise noch an den ausgegrabenen Durchstich entlang. Die Wagen mit dem Torf wurden durch Arbeiter bis ans Hauptgleis gefahren und von da aus mit Pferden zum Torfwerk transportiert. Im ersten Jahr war es noch nicht möglich, die Entwässerung im Hochmoor durchzuführen. Besonders der Hauptabzugskanal, der das Wasser von den Durchstichen zur Aue leiten sollte, konnte nicht fertig gestellt werden.
Verhandlungen mit Eigentümern
Die Folge davon war, dass sich das Wasser, welches in dem Durchstich stand, bis oben an den Rand stand. Mit den Eigentümern von Grundstücken, durch welche der Kanal gelegt werden sollte, musste, um Grund und Boden zu kaufen, erst verhandelt werden. Die Verhandlungen zogen sich 6 Monate im Jahr in die Länge, denn die Bauern waren in dem Glauben, wenn das Wasser aus dem Moor durch ihre Wiesen geleitet wurde, diese überspült und mit Moorschlamm bedeckt wurden.
Bei diesen Verhandlungen, die Herr Forstrat Deckert leitete, kam es oft vor, dass einzelne Interessenten, wenn sie auch vorher der Sache zugestimmt hatten, sich vor der Unterschreibung des Protokolls entfernten. Um zum Ziel zu kommen, mussten wir mit den Verhandlungen dann wieder von neuem beginnen. Endlich kam es dann soweit, dass die Bauern ihre Einwilligung dazu gaben, bis auf einen, welcher sich der Unterschrift weigerte.
Ich wurde nun beauftragt, denselben am anderen Tage aufzusuchen um mit ihm in seiner Wohnung nochmals darüber zu beratschlagen und womöglich auch seine Unterschrift zu erhalten. Als ich aber zu ihm kam, zeigte er mir die Tür. Doch so ohne weiteres ließ ich mich doch nicht ins Bockshorn jagen. Durch vieles Zureden erreichte ich endlich so viel, dass er sein Jawort wohl gab, aber gegen die Unterzeichnung des Protokolls sträubte er sich hartnäckig.
Ob er späterhin den Vertrag unterzeichnete, entzieht sich meiner Kenntnis. Nach all diesen Schwierigkeiten konnten wir nun endgültig mit der Ausführung des Kanals beginnen und wurde im November 1901 in Angriff genommen. Zu diesem Zweck wurde ein Projekt von dem damaligen Landmesser Schmidt aus Sulingen ausgearbeitet, um Tiefe und Breite und die richtige Anlage des Kanals anzugeben. So begann ich dann Ende November mit etwa 20 Kolonisten die Arbeit. In späterer Zeit beschäftigten wir dann dabei 40 bis 50 Mann, um auch schneller mit der Anlage fertig zu werden.
• • •
• Ende Teil 4 • (… der Erinnerungen des August Uchtmann über die Kultivierung des Freistätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.)