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Frei­stätter Weih­nachts­ka­lender 2019
Uchtmanns Moor­be­richt – Teil 4

Erin­ne­rungen des August Uchtmann über die Kulti­vie­rung des Frei­stätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.

      

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Beginn des Torfstechens

Im März 1901 begannen wir mit dem Torf­ste­chen. Zu diesen Arbeiten wurden, da es bei uns noch an Arbeits­kräften mangelte, 86 russisch-polnische Arbeiter und 12 Frauen ange­nommen, die in den neuge­bauten Baracken des heutigen Neu-Freistatt ihr Heim fanden. Eine Küche war auch vorhanden, in der ein Herd mit ca. 50 Koch­lö­chern stand. Diese Koch­ein­rich­tung bestand darin, dass an den Wänden entlang eine mit Ziegel­steinen ausge­mau­erte Feuer­ein­rich­tung herge­stellt war, versehen mit je zwei oder vier Koch­lö­chern gelegt, so dass auf je einer Heizung mit zwei bzw. vier Töpfen gekocht werden konnte.

Des Abends nach getaner Arbeit entstand dann ein reges Leben in diesen Räumen. Da wurden Kartof­feln geschält, hier gebacken und gebraten und dort gekocht, denn auch für den kommenden Tag musste das Essen bereitet werden, da am Tag alles zur Arbeit ging.

Moorbild 8 - (c) Jan Pojer - unsplash.com

Das Torf­ste­chen gestal­tete sich anfangs schwierig, die neu gezogenen Gräben konnten, wie ich schon erwähnte, nicht so tief ausge­hoben werden, der Saug­fä­hig­keit des Moores wegen und um dem Einstürzen der Gräben vorzu­beugen. Da nun der helle sog. Moortorf tiefer saß als die Sohlen der Gräben waren, musste man beim tieferen Stechen bis auf den schwarzen Torf, das nicht abflie­ßende Wasser in Eimern heraus­schöpfen, da ja ein Abfluss nicht vorhanden war.

Torfsoden in Zahlen

Ich muss heute noch bemerken, dass sich die polni­schen Arbeiter hierzu ganz besonders eigneten, denn die meisten stachen noch bei dieser schwie­rigen Lage 7 bis 9.000 Soden pro Tag. Auch die Verar­bei­tung des Torfes ging am Anfang nicht besonders gut vonstatten. Der Moorboden, noch sehr nass, behin­derte das Trocknen der Torfsoden sehr, so dass er oft 2 bis 3 Mal umringelt werden musste.

Zu dieser Arbeit verwandten wir oft die polni­schen Frauen, die oft Erstaun­li­ches leisteten. Beim ersten Ringeln, wobei der Torf oft noch nass und schwer war, ringelte eine Frau 20 bis 25.000, bei trockenen 30 bis 35.000 Soden an einem Tage. Beim zweiten Ringeln setzten wir die Ring­haufen 1,50 m hoch, um einen weiteren Abstand derselben und schnel­leres Trocknen zu erzielen.

Moorbild 7- (c) Anne Nygard - unsplash.com
Moorbild 7- © Anne Nygard – unsplash.com

So sind im ersten Jahr ca. 10 Millionen Soden gestochen und verar­beitet worden. Da das Moor durch die wilden Wasser­läufe, welche sich durch das abflie­ßende Wasser die langen Jahre hindurch gebildet hatten und zum Teil davon sehr tief und breit waren, mussten die Flächen auf dem der Torf aufge­setzte werden sollte, erst planiert werden.

All diese Arbeiten sind nur im Akkord gear­beitet worden. Es erhielten die Torf­ste­cher 1 bis 1,25 Mark für 1.000 Soden, für das Ringeln gab es 10 bis 15 Pfg. für 1.000 Soden, in große Mieten bringen 10 Pfg. für 1 cbm. Planier­ar­beiten bezahlten wir mit 1 Mark pro 100 qm. Um den Torf abfahren zu können, mussten wir als erstes die Wege über­sanden. Zu diesem Zwecke wurden Gleise angekauft und auf die noch locker liegenden, durch den Graben­aus­wurf erhöhten Wege gelegt.

Moorbild 7- (c) Anne Nygard - unsplash.com

Wege- und Kanalbau

Kam nun ein solch voll­ge­la­dener Sandzug auf den lockeren Moorboden, so versanken Gleis und Bahn, ja es passierte oft, dass ganze Züge umkippten und die Wagen mit den gefüllten Sand­kisten bis über die Hälfte im Moor versanken. So musste dann mühsam Zug um Zug neu Sand herbei­ge­schafft und gekippt werden, um doch wenigs­tens festen Unter­grund zu bekommen.

Es gelang im 1. Sommer solch einen Sanddamm bis zum ersten Durch­stich fertig zu stellen. Um den trockenen Torf aus den Torf­fel­dern herbei­zu­schaffen, legten wir das Neben­ge­leise noch an den ausge­gra­benen Durch­stich entlang. Die Wagen mit dem Torf wurden durch Arbeiter bis ans Haupt­gleis gefahren und von da aus mit Pferden zum Torfwerk trans­por­tiert. Im ersten Jahr war es noch nicht möglich, die Entwäs­se­rung im Hochmoor durch­zu­führen. Besonders der Haupt­ab­zugs­kanal, der das Wasser von den Durch­sti­chen zur Aue leiten sollte, konnte nicht fertig gestellt werden.

Verhand­lungen mit Eigentümern

Die Folge davon war, dass sich das Wasser, welches in dem Durch­stich stand, bis oben an den Rand stand. Mit den Eigen­tü­mern von Grund­stü­cken, durch welche der Kanal gelegt werden sollte, musste, um Grund und Boden zu kaufen, erst verhan­delt werden. Die Verhand­lungen zogen sich 6 Monate im Jahr in die Länge, denn die Bauern waren in dem Glauben, wenn das Wasser aus dem Moor durch ihre Wiesen geleitet wurde, diese überspült und mit Moor­schlamm bedeckt wurden.

Moorbild 8 - (c) Jan Pojer - unsplash.com
Moorbild 8 – © Jan Pojer – unsplash.com

Bei diesen Verhand­lungen, die Herr Forstrat Deckert leitete, kam es oft vor, dass einzelne Inter­es­senten, wenn sie auch vorher der Sache zuge­stimmt hatten, sich vor der Unter­schrei­bung des Proto­kolls entfernten. Um zum Ziel zu kommen, mussten wir mit den Verhand­lungen dann wieder von neuem beginnen. Endlich kam es dann soweit, dass die Bauern ihre Einwil­li­gung dazu gaben, bis auf einen, welcher sich der Unter­schrift weigerte.

Ich wurde nun beauf­tragt, denselben am anderen Tage aufzu­su­chen um mit ihm in seiner Wohnung nochmals darüber zu berat­schlagen und womöglich auch seine Unter­schrift zu erhalten. Als ich aber zu ihm kam, zeigte er mir die Tür. Doch so ohne weiteres ließ ich mich doch nicht ins Bockshorn jagen. Durch vieles Zureden erreichte ich endlich so viel, dass er sein Jawort wohl gab, aber gegen die Unter­zeich­nung des Proto­kolls sträubte er sich hartnäckig.

Ob er späterhin den Vertrag unter­zeich­nete, entzieht sich meiner Kenntnis. Nach all diesen Schwie­rig­keiten konnten wir nun endgültig mit der Ausfüh­rung des Kanals beginnen und wurde im November 1901 in Angriff genommen. Zu diesem Zweck wurde ein Projekt von dem damaligen Land­messer Schmidt aus Sulingen ausge­ar­beitet, um Tiefe und Breite und die richtige Anlage des Kanals anzugeben. So begann ich dann Ende November mit etwa 20 Kolo­nisten die Arbeit. In späterer Zeit beschäf­tigten wir dann dabei 40 bis 50 Mann, um auch schneller mit der Anlage fertig zu werden.
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• Ende Teil 4 • (… der Erin­ne­rungen des August Uchtmann über die Kulti­vie­rung des Frei­stätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.)


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