Erinnerungen des August Uchtmann über die Kultivierung des Freistätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.
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Kultivierungsarbeiten im Moor
Diese Mullwehflächen ohne jede Vegetation wurden mit Heideplaggen oder Wollgraswurzelstücken bepflanzt, in ein bis zwei Verband Gräben gezogen, die Grabenwälle mit zwei Reihen Birken bepflanzt, um den Winden keinen freien Zutritt zu diesen Flächen zu bieten. Die Kultivierungsarbeiten zur Anlage von Acker und Wiesen der Ödland Flächen gestalteten sich besonders schwierig. Dadurch, dass dieselben in zwei bis fünf Kilometer Entfernung vom Sandboden aus im Hochmoor angelegt worden.
Diese Flächen wurden erst entwässert, dann mit der Hand gehackt, was eine besonders schwere, mühevolle Arbeit war. Die Arbeiter bekamen für ein Ar 1 bis 1,20 Mark für das Hacken, für die Anlage von Entwässerungsgräben pro cbm 8 bis 10 Pfennig, so dass man tüchtig arbeiten musste, um am Tag 3 Mark zu verdienen. Nun möchte ich folgende schwierigen Arbeiten noch kurz schildern.
Nach dem ersten Hacken des Moores wurde der Kunstdünger ausgestreut. Dies war nicht so leicht und bequem, der Kunstdünger wurde mit dem Wagen soweit gefahren, als fester Boden war. Dann wurde derselbe nicht mittels einer Karre transportiert, sondern der Zentnersack wurde auf den Buckel genommen und noch 2 bis 500 Meter nach der Kulturstätte gebracht. Nach dem Ausstreuen des Düngers wurde noch mal gehackt und geeggt, Samen gesät, nochmals geeggt und gewalzt.
Mühevolle Handarbeiten
Diese Arbeiten wurden nicht von den Pferden, Maschinen oder Motoren, wie heutzutage ausgeführt, sondern alles von Menschenhand gemacht. Sie hackten, zogen die Egge und Walze, denn Pferdeholzschuhe gab es noch keine. Den Pferdebesitzer in der Umgebung konnte man damals pro Tag 100 Mark bieten, sie hätten doch ihren Pferden keine Holzschuhe angezogen. Ich erinnere mich noch eines Falles, wo ich in späterer Zeit den Pferden eines Bauern, der den Dünger zur Kulturstelle fahren musste, Holzschuhe anzuziehen versuchte. Derselbe sagte: „Ziehst du meinen Pferden Schuhe an, werfe ich den Dünger ab und fahre nach Hause!“ Auf meine Bitte hin, er möge dann doch soweit wie irgendwie möglich fahren, tat er es auch.
Zum Unglück kamen wir aber auf eine weiche Stelle, so dass Pferde und Wagen in das Moor sanken und mit großer Mühe herausgebracht wurden. Wie alles in Ordnung war und die Pferde festen Boden hatten, schwor er mir hoch und heilig, nie in seinem Leben würde er für Geld und gute Worte auch nur einen Sack für uns ins Moor fahren.
Aufsicht über die Moorflächen
Nebenbei hatte ich noch die Aufsicht über das unbefugte Schafweiden, Heidemähen und sonstigen strafbaren Handlungen, in dem vom Staate durch polizeiliche Verfügungen in Schonung gelegten Mull- und Sandwehen, sowie über die neu angepflanzten Festungen.
Diese Aufsicht war besonders schwierig, da die Schonung 27 km Länge und 10 bis 12 km Breite ohne zusammenhängende Flächen an den Rändern des großen Wietingsmoores verstreut lagen. Diese Aufsicht wurde sehr streng gehandhabt, der Herr Forstrat Deckert war nicht der Mann, der die unter schwerer Mühe und Arbeit mit Kosten verbundenen Anlagen durch das unbefugte Weiden der Schafe ruinieren lassen wollte.
So kam es oft vor, dass die in Schonung liegenden Flächen bis nach Ridderade bei Twistringen kontrolliert wurden. Morgens wurde um vier Uhr aufgestanden und man war froh, wenn man abends zwischen 10 und 11 Uhr wieder zu Hause angelangt war. Dabei hatte man keinen gangbaren Weg, sondern man ging in knielanger Heide oder in dem sumpfigen Moore, in dem man bald bei jedem Schritt bis zur Wade einsank.
Durch die Aufsicht über das unbefugte Weiden in den Schonungen und den Aufforstungen zog ich mir die Feindschaft der Schafhalter zu. Bei der Größe der Fläche war es wirklich nicht leicht, die Übeltäter zu fassen, zumal die Besitzer, deren Eigentum am Moore lag, vom Bodenfenster aus ihre Schäfer schützten auf ihren verbotenen Wegen. Sah solch ein Eigentümer von seiner hohen Warte aus mich seiner Herde nähern, so steckte er zur Warnung für seinen Schäfer eine Stange mit einem Lappen aus dem Fenster.
Der Schäfer, das Warnsignal sehend, trieb seine Herde so schnell wie möglich fort, und ich musste oft 4 bis 5 km nachlaufen, bis ich den Schäfer stellen konnte. Manchmal musste ich auch einige 100 m im Graben entlang kriechen, um die Herde ungesehen zu erreichen. Die Übeltäter wurden im ersten Fall mit 25 bis 30 Mark bestraft, im Wiederholungsfalle und je nach dem angerichteten Schaden bis 80 Mark. Da hatte ich, da in manchen Gemeinden noch viele Schafe gehalten wurden, mehr Feinde als Freunde.
Zur Aufsicht des Wietingsmoores kam auch noch die Aufsicht des großen Uchter Moores, wo ich zehn Jahre lang die Dämpfungsarbeiten der Mullwehen ausgeführt habe. Dieses Moor lag zehn km von meinem Wohnort Ströhen entfernt. Da ich in den ersten zehn Jahren noch kein Fahrrad besaß, wurde der zehn km lange Weg zu Fuß gemacht. Um morgens rechtzeitig vor den Arbeitern zur Stelle zu sein, wurde um fünf Uhr fortgegangen und tagsüber tüchtig gearbeitet, abends neun Uhr war ich zu Hause. Die Arbeiten bestanden dort in der Anlegung von Gräben, Birken pflanzen, Heidedeckung und Wollgraspflanzungen.
Entstehung von Freistatt und Uchtmanns Arbeit dort
(Diese Kapitelüberschrift stammt von Herrn von Lepel)
Es war im Herbst 1898, als Herr Pastor von Bodelschwingh in Bethel bei Bielefeld ein Gelände zur Anlegung einer neuen Arbeiterkolonie suchte, da die Arbeiterkolonie Wilhelmsdorf in der Senne die Arbeitssuchenden (und vor allem die Fürsorgezöglinge) nicht mehr alle unterbringen konnte. So wurde nun der bereits in Pension gegangene Herr Forstrat Deckert, ein guter Freund des Herrn Pastor von Bodelschwingh, beauftragt, ein solches Gelände auszukundschaften.
Es lag im Plan des Herrn Pastor von Bodelschwingh, wenn irgend möglich, diese neue Arbeiterkolonie in der Provinz Westfalen anzulegen. Um nun ein passendes Gelände auszusuchen, gingen Herr Rolhfs, Strange und meine Wenigkeit nach dem mir bekannten, zwischen Wagenfeld (Kreis Diepholz) und Oppenwehe (Kreis Lübbecke) gelegenen Stemmer Moor. Es wird von der Grenze der beiden Provinzen Hannover und Westfalen durchschnitten. Doch ergab die Besichtigung, dass sich das Moor zu einer Anlage eines landwirtschaftlichen Betriebes nicht eignete, weil durch den frühen Torfstich viele tiefe Löcher entstanden waren und außerdem das Gelände sehr uneben war.
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• Ende Teil 2 • (… der Erinnerungen des August Uchtmann über die Kultivierung des Freistätter- und des Wietings-Moors rund um Freistatt. Abschrift von seinem Text aus dem Jahre 1926.)